Artikel aus dem Themenbereich: Lohn und Gehalt vom 21. Juni 2022

Arbeitgeberhaftung für die Lohnsteuer nur unter strengen Voraussetzungen

Ist bei Arbeitnehmern, die namentlich bekannt sind, der Lohnsteuerabzug unterblieben, wurden die entsprechenden Einkünfte aber vollständig und ordnungsgemäß, wenn auch fälschlicherweise im Rahmen einer unzutreffenden Einkunftsart, zur Einkommensteuer veranlagt, darf das Finanzamt den Arbeitgeber nicht in Haftung nehmen.

Hintergrund

Das Finanzamt stellte bei der Klägerin, einer GmbH, fest, dass im Zeitraum August 2011 bis Juli 2014 Lohnzahlungen nicht als Arbeitslohn versteuert worden waren. Das Finanzamt erließ daraufhin mehrere Haftungsbescheide gegenüber der GmbH.

Die Klägerin argumentierte dagegen, dass die vom Finanzamt als Arbeitnehmer angesehenen Personen selbstständige Subunternehmer waren. Auch wurde das Auswahlermessen deshalb fehlerhaft ausgeübt, weil die als vermeintliche Arbeitnehmer bezeichneten Personen nicht in das Auswahlermessen einbezogen wurden, obwohl die Personen dem Finanzamt bekannt waren.

Entscheidung

Das Finanzgericht hat die angefochtenen Haftungsbescheide aufgehoben. Es bedurfte vorliegend keiner Entscheidung der Frage, ob und in welchem Umfang die Haftungsvoraussetzungen gegeben sind. Denn die Haftungsbescheide waren schon deshalb rechtswidrig, weil das Finanzamt vom bei der Inhaftungnahme des Arbeitgebers im Fall des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen bestehenden Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht habe.

Soweit Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Gesamtschuldner für die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers als einer Vorauszahlungssteuer für die Einkommensteuer einstehen müssen, steht dem Betriebsstättenfinanzamt ein Auswahl- und Entschließungsermessen zu. Dabei betrifft das Entschließungsermessen die Frage, ob nicht einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer geltend gemacht werden soll. Im Rahmen des Auswahlermessens ist zu entscheiden, wer von mehreren Personen, die nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis schulden oder für sie haften würden, in Anspruch genommen wird.

Steht bei namentlich bekannten Arbeitnehmern leicht überprüfbar und sicher fest, dass sie mit den Einkünften, hinsichtlich derer der Lohnsteuerabzug unterblieben ist, vollständig und ordnungsgemäß – wenn auch fälschlicherweise im Rahmen einer unzutreffenden Einkunftsart – zur Einkommensteuer veranlagt wurden, ist der Arbeitgeber nicht in Haftung zu nehmen.

Kann die Lohnsteuer vom Betriebsstättenfinanzamt bei den Arbeitnehmern als Steuerschuldnern noch erhoben werden, ist der Arbeitgeber nachrangig heranzuziehen, wenn wenige namentlich feststehende Arbeitnehmer betroffen sind und deren Einkünfte wahrscheinlich unter der steuerpflichtigen Grenze liegen werden.

Grundlage für eine ordnungsgemäße Ausübung des Entschließungs- und Auswahlermessens ist, dass die Finanzbehörde die ermessensrelevanten Umstände zutreffend ermittelt hat. Geht sie von falschen Tatsachen aus oder hat sie ermessensrelevante Gesichtspunkte, obwohl das möglich war, nicht festgestellt, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor. Die ist hier der Fall gewesen.


Unsere Fachartikel sind nach bestem Wissen redaktionell erstellt. Eine Haftung und Gewähr für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.
Sprechen Sie uns gerne für eine persönliche Beratung an: +49 6173 7835-0

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