Earn-Out-Zahlungen bei Veräußerung eines Mitunternehmeranteils: steuerliche Behandlung?
Im Fall der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils sind neben dem Festkaufpreis zu leistende gewinn- oder umsatzabhängige Kaufpreisbestandteile erst im Zeitpunkt des Zuflusses als nachträgliche Betriebseinnahmen zu versteuern. Dies gilt auch für sogenannte Earn-Out-Klauseln, bei denen das Entstehen der sich hieraus ergebenden variablen Kaufpreisbestandteile sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ungewiss ist.
Hintergrund
Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin die M GmbH ist, die nicht am Vermögen der Klägerin beteiligt ist. Alleinige Kommanditistin war die Beigeladene, die zugleich 100 % der Anteile an der M GmbH hielt. Diese Anteile waren dem Sonderbetriebsvermögen der Beigeladenen bei der Klägerin zugeordnet.
Mit notariellem Vertrag vom 5.10.2010 veräußerte die Beigeladene ihren Kommanditanteil an der Klägerin sowie sämtliche Geschäftsanteile an der M GmbH an die R GmbH. Der Verkauf erfolgte mit der Maßgabe, dass der Kommanditanteil im Wege der Sonderrechtsnachfolge mit schuldrechtlicher Wirkung zum Ablauf des 30.6.2010 ("Übertragungsstichtag") auf die Käuferin übergehen sollte. Die dingliche Übertragung des Kommanditanteils war aufschiebend bedingt durch die Zahlung des Kaufpreises und die Eintragung der Käuferin als Kommanditistin im Wege der Sonderrechtsnachfolge in das Handelsregister. Die Veräußerung der Anteile an der Komplementärin, der M GmbH, erfolgte wirtschaftlich zum Übertragungsstichtag.
Als Kaufpreis für den Kommanditanteil und die Geschäftsanteile an der M GmbH wurde ein fester Kaufpreis in Höhe von 5.318.000 EUR vereinbart. Der Kaufpreis war am 15.10.2010 fällig, nicht jedoch vor Sicherstellung des Eintritts der aufschiebenden Bedingung der Eintragung der Käuferin als Kommanditistin in das Handelsregister.
Zusätzlich zum Kaufpreis wurde der Beigeladenen ein variables Entgelt zugesichert. Grundlage der Ermittlung dieses variablen Entgelts war die in den Geschäftsjahren 2011, 2012 und 2013 erzielte Rohmarge. Soweit die Rohmarge in einem der vorgenannten Geschäftsjahre den Betrag von 10.000.000 EUR übersteigt, sollte die Verkäuferin für das betreffende Geschäftsjahr einen Betrag von 533.000,00 EUR erhalten.
Unterschreitet die Rohmarge oder entspricht sie in einem der vorgenannten Geschäftsjahre den bzw. dem Betrag von 8.000.000 EUR war kein variables Entgelt zu zahlen. Im Bereich zwischen einer Rohmarge von 8.000.000 EUR und 10.000.000 EUR sollte das variable Entgelt linear zwischen 0 EUR und 533.000 EUR betragen.
Aufgrund der Vereinbarung erhielt die Beigeladene im Veranlagungszeitraum 2011, 2012 und 2013 variable Kaufpreiszahlungen von insgesamt 815.819 EUR, die sie als laufende Einkünfte in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen erfasste.
Nach Durchführung der antragsgemäßen Veranlagung und dem Erlass des Gewinnfeststellungsbescheides für 2010 gelangte das Finanzamt nach einer Außenprüfung zur Auffassung, dass die in den Jahren 2011 bis 2013 geleisteten Kaufpreiszahlungen von insgesamt 815.819 EUR ("Earn-Out") als nachträgliche Kaufpreiszahlungen im Veräußerungsjahr 2010 zu berücksichtigen seien und änderte den Bescheid entsprechend.
Entscheidung
Die variablen Kaufpreisbestandteile können nicht bei der Ermittlung des im Streitjahr 2010 angefallenen Veräußerungsgewinns berücksichtigt werden.
Veräußerungspreis ist der tatsächlich erzielte Erlös. Dazu gehören alle Leistungen, die der Veräußerer vom Erwerber für die Übertragung erhält, sowie Leistungen, die der Veräußerer in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung vom Erwerber oder – ohne dass dies der Erwerber veranlasst hat – von einem Dritten erlangt. Das ist regelmäßig der vereinbarte Kaufpreis mit seinem Nennwert.
Der Veräußerungsgewinn entsteht grundsätzlich im Veräußerungszeitpunkt, d. h. mit der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den wesentlichen Betriebsgrundlagen, und zwar unabhängig davon, ob der vereinbarte Kaufpreis sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist und wann der Verkaufserlös dem Veräußerer tatsächlich zufließt.
Der Veräußerungsgewinn ist damit regelmäßig stichtagsbezogen auf den Veräußerungszeitpunkt zu ermitteln. Später eintretende Veränderungen beim ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreis sind solange und soweit materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurück zu beziehen, als der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt hat. Dabei ist es unerheblich, welche Gründe für die Minderung oder Erhöhung des Erlöses maßgebend waren. Dies gilt auch für die Veräußerung von Mitunternehmeranteilen.
Ist die Gegenleistung indes bereits erbracht und die Anteilsveräußerung vollzogen, liegt eine materiell-rechtliche und deshalb auch verfahrensrechtliche Rückwirkung auf das abgeschlossene Rechtsgeschäft nur vor, wenn der Rechtsgrund für die später geleistete Zahlung im ursprünglichen Rechtsgeschäft – der Anteilsveräußerung – angelegt ist. Ist die nach Vollziehung der Veräußerung geleistete Zahlung jedoch Gegenstand eines selbstständigen Rechtsgeschäfts, das nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Anteilsveräußerung steht, wirkt diese nicht auf den Zeitpunkt des Entstehens des Veräußerungsgewinns zurück.
Eine Ausnahme gilt bei gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderungen. In diesen Fällen ist auf die Realisation des Veräußerungsentgelts abzustellen, da der Veräußerer die Gewinne erst im Zuflusszeitpunkt erzielt. Eine stichtagsbezogene Betrachtung (Rückwirkung auf den Veräußerungszeitpunkt) wird nicht angestellt.
In Anwendung dieser Grundsätze haben die in den Jahren 2011 bis 2013 ("Earn-Out-Periode") vereinnahmten variablen Entgelte den im Jahr 2010 erzielten Anteilsveräußerungsgewinn nicht erhöht. Vielmehr sind sie im Zeitpunkt des Zuflusses als nachträgliche gewerbliche Betriebseinnahmen zu versteuern.
Bei den variablen Kaufpreisbestandteilen handelt es sich um Entgelte auf gewinnabhängige Kaufpreisforderungen, da sie von den in den 3 Jahren nach der Anteilsveräußerung von der Klägerin erzielten Rohmargen abhängig waren. Das Entstehen der Kaufpreisforderungen war also sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ungewiss. Damit wirken diese variablen Kaufpreisbestandteile nicht auf den Veräußerungszeitpunkt zurück. Sie sind genauso zu behandeln wie (andere) gewinn- oder umsatzabhängige Kaufpreisforderungen.
Gründe für eine unterschiedliche Behandlung von gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderungen im Allgemeinen und sogenannten Earn-Out-Zahlungen der hier vorliegenden Art im Besonderen sind nicht ersichtlich.
Denn auch bei "Earn-Out-Zahlungen" – wie den im Streitfall vereinbarten – handelt es sich um – aufschiebend bedingte – Kaufpreisbestandteile, deren Entstehen im Veräußerungszeitpunkt sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ungewiss ist; eine Schätzung ihres Kapitalwerts ist im Veräußerungszeitpunkt nicht möglich. Diese Unsicherheit rechtfertigt es, derartige "Earn-Out-Zahlungen" unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und in – jedenfalls gedanklicher – Anlehnung an das Realisationsprinzip von der stichtagsbezogenen Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 16 EStG auszunehmen. Die Entstehung derartiger Kaufpreisbestandteile ist im Veräußerungszeitpunkt noch nicht "so gut wie sicher". Die dem Grunde und der Höhe nach unsicheren "Earn-Out-Zahlungen" sind daher erst im Zeitpunkt des Zuflusses zu besteuern.
Im Streitfall ist auch keine steuerliche Rückwirkung auf den Veräußerungszeitpunkt anzunehmen, weil ein fester – die variablen Kaufpreisbestandteile enthaltender – Kaufpreis vereinbart worden und lediglich dessen Zahlung noch vom Eintritt bestimmter Bedingungen abhängig gewesen sei. Denn im Streitfall ist das Entstehen der variablen Kaufpreisbestandteile sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ungewiss gewesen. Soweit die variablen Kaufpreisbestandteile betroffen sind, kann daher nicht von der Reduzierung eines fest vereinbarten Kaufpreises ausgegangen werden. Fest vereinbart war nur ein Kaufpreis in Höhe von 5.318.000 EUR.