Artikel aus dem Themenbereich: Steuerrecht Privatvermögen vom 04. April 2023

Kindergeld für ein verheiratetes behindertes Kind: Wie sind Pflegegeld und Unterhalt zu berücksichtigen?

Bei den dem Kind zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln sind das für ein behindertes Kind gezahlte Pflegegeld und der Ehegattenunterhalt als Bezug zu berücksichtigen.

Hintergrund

M ist Mutter einer 1987 geborenen Tochter T. T war im Streitzeitraum (November 2018 bis Februar 2019) verheiratet und hatte mit ihrem Ehemann EM einen im Jahr 2017 geborenen Sohn E, den Enkel der M. EM ist zudem Vater eines weiteren Kindes aus einer früheren Beziehung X, für das er Unterhalt zahlt.

M bezog für T, die behindert ist, laufend Kindergeld. Nach Prüfung der finanziellen Situation der Familie der T hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes ab November 2018 auf.

Die dagegen gerichtete Klage wurde vom Finanzgericht abgewiesen, da die von der Familienkasse ermittelten Bezüge der T über dem Bedarf der T lagen.

Entscheidung

Die Revision hatte zum Teil (Monate Januar/Februar 2019) Erfolg. Im Übrigen (Monate November/Dezember 2018) wurde die Revision zurückgewiesen. Der Bundesfinanzhof klärt die Rechtslage für die Fallkonstellation, in der dem Kind Pflegegeld und ein Unterhaltsanspruch gegen seinen Ehepartner zusteht.

Für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, besteht ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

Die Fähigkeit zum Selbstunterhalt ist anhand eines Vergleichs zweier Bezugsgrößen zu prüfen, nämlich des aus dem Grundbedarf und dem behinderungsbedingten Mehrbedarf bestehenden gesamten existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits. Diese Prüfung ist für jeden Monat gesondert vorzunehmen.

Der allgemeine Grundbedarf orientiert sich an dem Grundfreibetrag.

Der Mehrbedarf kann einzeln nachgewiesen oder mit dem Behinderten-Pauschbetrag angesetzt werden. Wird Pflegegeld gezahlt, das den Behinderten-Pauschbetrag übersteigt, wird vermutet, dass mindestens ein Mehrbedarf in Höhe des gezahlten Pflegegeldes besteht. Im Streitfall lag das Pflegegeld monatlich über dem anteiligen monatlichen Pauschbetrag. Es war daher als Mehrbedarf anzusetzen.

Bezüge, die nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Kindes bestimmt sind, sondern immaterielle Beeinträchtigungen abmildern sollen, werden nicht als dem Kind zur Verfügung stehende Mittel berücksichtigt. Pflegegeld kommt eine derartige Sonderfunktion nicht zu. Es ist daher als ein für den Unterhalt geeigneter Bezug anzusetzen.

Unter die Bezüge des Kindes fallen auch Unterhaltsleistungen des Ehegatten. Bei der Ermittlung des Unterhaltsanspruchs sind tatsächlich gezahlte Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom Einkommen des Ehegatten abzuziehen. Diese Posten stehen für den Ehegatten tatsächlich nicht zur Verfügung. Gleiches gilt für die Sozialversicherungsbeiträge des Kindes und des Ehegatten.

Der von EM an X gezahlte Unterhalt mindert den an T zu leistenden Unterhalt. Denn der Anspruch des Ehegatten auf Ehegattenunterhalt ist gegenüber dem Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder nachrangig. Daher stehen die Mittel, die vom Ehegatten EM an ein nicht im gemeinsamen Haushalt lebendes Kind (X) gezahlt werden, nicht für den Unterhalt des Ehegatten zur Verfügung. Das Existenzminimum von X wird damit kindergeldrechtlich nicht unzulässig sowohl bei X als auch bei T berücksichtigt. Denn der an X gezahlte Unterhalt mindert den an T zu leistenden Unterhalt (um die Hälfte des von EM an X monatlich geschuldeten Unterhalts).

Beide Elternteile sind ihrem mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebenden unverheirateten minderjährigen Kind gleichermaßen zum Unterhalt verpflichtet. Diese Verpflichtung geht der zum Unterhalt des Ehepartners vor. Für den Streitfall ergibt sich daraus, dass T von EM keinen Unterhalt beanspruchen kann, soweit dieser mit seinen Mitteln E unterhalten muss.

Die Frage des teilweisen oder vollen Abzugs des Kindergeldes für das gemeinsame Kind E vom Barunterhalt konnte im Streitfall für November/Dezember 2018 offenbleiben, weil selbst bei Abzug des vollen Kindergeldes der Bedarf der T gedeckt wird. Die Revision war insoweit unbegründet. Für 2019 war die Revision begründet und führte zur entsprechenden Kindergeld-Festsetzung. Die Minderung des von EM an T gezahlten Unterhalts um die Hälfte des von EM an X gezahlten Unterhalts führte hier zum Unterschreiten des Bedarfs und zur Begründetheit der Revision.


Unsere Fachartikel sind nach bestem Wissen redaktionell erstellt. Eine Haftung und Gewähr für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.
Sprechen Sie uns gerne für eine persönliche Beratung an: +49 6173 7835-0

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