Artikel aus dem Themenbereich: Steuerrecht Unternehmer vom 21. Juni 2022

Sind Leistungen im Zusammenhang mit betreutem Wohnen umsatzsteuerfrei?

Manche Pflegeheime bieten auch Leistungen im Zusammenhang mit betreutem Wohnen an. Die an hilfsbedürftige Bewohner erbrachten Betreuungsleistungen einer Seniorenresidenz sind eng mit der Sozialfürsorge verbundene Leistungen und deshalb von der Umsatzsteuer befreit.

Hintergrund

Die Klägerin betreibt eine Seniorenresidenz mit einem Pflegeheim und sieben betreuten Wohnungen. Sie erbringt Leistungen der Kurzzeitpflege und der vollstationären Pflege an Pflegebedürftige i. S. d. SGB XI. In den Jahren 2009 bis 2014 entfielen nicht mehr als 10 % der gesamten Belegungstage auf die Bewohner des betreuten Wohnens und des Pflegeheims mit anerkannter Pflegestufe 0. Nach Auffassung des Finanzamts sind die Leistungen des betreuten Wohnens (mit Ausnahme der Vermietung) nicht umsatzsteuerfrei.

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass die Leistungen des betreuten Wohnens grundsätzlich umsatzsteuerfrei sind – mit Ausnahme des bereitgestellten Telefonanschlusses. Nach dem in den Jahren 2009 bis 2014 geltenden § 4 Nr. 16 UStG sind die eng mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen verbundenen Leistungen steuerfrei, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Einrichtungen i. S. d. § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. b)- k) UStG (mit Wirkung vom 01.07.2013: bis Buchst. l)) erbracht werden.

Leistungen i. S. d. Satzes 1, die von Einrichtungen nach den Buchst. b)- k) bzw. l) erbracht werden, sind befreit, soweit es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, auf die sich die Anerkennung, der Vertrag oder die Vereinbarung nach Sozialrecht oder die Vergütung jeweils bezieht.

Hilfsbedürftig sind Personen, die aufgrund ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands der Betreuung und Pflege bedürfen, weil sie krank, behindert oder von einer Behinderung bedroht sind. Dies erfordert einen Grundpflegebedarf bzw. Bedarf nach Haushaltshilfe oder eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz. Insoweit hat die Klägerin für die Bewohner eine Hilfsbedürftigkeit in den Streitjahren hinreichend dargelegt.

Zu den nach § 4 Nr. 16 UStG begünstigten für die Sozialfürsorge unerlässlichen Leistungen gehören insbesondere die ambulante Pflege, die hauswirtschaftliche Versorgung, das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, das Waschen der Kleidung, die Gestellung einer Haushaltshilfe, Betreuungsleistungen und die Bereitstellung eines Haus-Notruf-Dienstes. Deshalb zählen die in einem Heim für betreutes Wohnen erbrachten Leistungen grundsätzlich zu den eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Leistungen.

Die Klägerin ist durch die an die hilfsbedürftigen Bewohner erbrachten Leistungen des betreuten Wohnens als durch deren Vergütung vermittelte Anerkennung als qualifizierte Einrichtung anzusehen.

Erforderlich ist darüber hinaus, dass im vorangegangenen Kalenderjahr die Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 40 % der Fälle (bzw. ab 01.07.2013: 25 %) von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet wurden. Sind die betreuten Personen aufgrund der Zuerkennung eines Pflegegrads zum Leistungsbezug berechtigt, kann insoweit eine Kostentragung durch die Pflegekassen als Sozialversicherungsträger unterstellt werden.


Unsere Fachartikel sind nach bestem Wissen redaktionell erstellt. Eine Haftung und Gewähr für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.
Sprechen Sie uns gerne für eine persönliche Beratung an: +49 6173 7835-0