Artikel aus dem Themenbereich: GmbH vom 05. September 2022

Zur Wirksamkeit von Steuerbescheiden nach Eröffnung der Insolvenz

Auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens können Steuerbescheide, mit denen eine positive Steuer festgesetzt wird, ausnahmsweise wirksam ergehen. Voraussetzung ist, dass sich unter Berücksichtigung von Anrechnungsbeträgen insgesamt ein Erstattungsbetrag ergibt und auch keine Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden, die die Höhe von Steuerforderungen beeinflussen, welche zur Tabelle anzumelden sind.

Hintergrund

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des W. Dieser war im Streitjahr 2014 Alleingesellschafter und Geschäftsführer der M GmbH, die wiederum Alleingesellschafterin der K GmbH war. Im Dezember 2014 meldete die K GmbH Insolvenz an. Das Insolvenzverfahren wurde im Februar 2015 eröffnet. Die im Dezember 2014 beantragte Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die M GmbH wurde durch Beschluss im Februar 2015 mangels Masse abgelehnt.

Im August 2015 reichte der Kläger eine von ihm selbst sowie von W und dessen Ehefrau unterschriebene Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2014 beim Finanzamt ein. Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer für 2014 mit Bescheid vom 23.12.2015 erklärungsgemäß in Höhe von 28.942 EUR fest. Unter Berücksichtigung einbehaltener Lohnsteuer sowie Kapitalertragsteuer ergab sich ein Erstattungsbetrag in Höhe von 2.454 EUR. Das Finanzamt gab den Bescheid u. a. dem Kläger bekannt.

Mit seinem Einspruch machte Kläger geltend, das Finanzamt dürfe nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine förmlichen Bescheide mehr erlassen. Der Einspruch blieb erfolglos. Die anschließende Klage wies das Finanzgericht als unbegründet ab.

Entscheidung

Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs ist der Bescheid nicht nichtig. Das Finanzamt war nicht aufgrund von § 251 Abs. 2 AO i. V. m. § 87 InsO gehindert, den Einkommensteuerbescheid zu erlassen.

Steuerbescheide dürfen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr ergehen, wenn darin Insolvenzforderungen festgesetzt werden. Ebenso dürfen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Bescheide mehr erlassen werden, in denen Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden, die die Höhe der zur Tabelle anzumeldenden Steuerforderungen beeinflussen könnten.

Vielmehr ist der Steuergläubiger gehalten, Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nach Maßgabe des Insolvenzrechts zur Tabelle anzumelden, um an der gemeinschaftlichen Befriedigung im Insolvenzverfahren teilzunehmen. Ein förmlicher Steuerbescheid über einen Steueranspruch, der eine Insolvenzforderung betrifft, ist unwirksam.

Dies gilt grundsätzlich nicht für Steuerbescheide, mit denen die Steuer auf 0 EUR festgesetzt wird. Mangels Steuerschuld fehlt es an einem Vermögensanspruch gegen die Insolvenzmasse, der zur Tabelle anzumelden wäre.

Ebenso ausgenommen sind Umsatzsteuerbescheide, mit denen eine negative Steuer festgesetzt wird und aus denen sich keine Zahllast ergibt. Denn damit hat das Finanzamt keine Insolvenzforderung, die nach § 87 InsO nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgt werden kann, sondern einen Erstattungsbetrag festgesetzt, der nicht zur Tabelle anzumelden war.

Ein vergleichbarer Fall liegt auch dann vor, wenn eine positive Steuer festgesetzt wird und sich – wie im Streitfall – eine Steuererstattung nur unter Berücksichtigung von Anrechnungsbeträgen ergibt. Denn damit hat das Finanzamt keine Insolvenzforderung festgesetzt, die nach § 87 InsO nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgt werden kann; der Erstattungsbetrag ist nicht zur Tabelle anzumelden. Das Finanzamt ist nicht Insolvenzgläubiger i. S. des § 87 InsO.

Ebensowenig hat der im Streitfall in Rede stehende Einkommensteuerbescheid Auswirkungen auf Folgebescheide; auch eine Verlustfeststellung erfolgt nicht. Es ist nicht erkennbar, wieso die Insolvenzmasse insoweit schutzbedürftig sein soll. Derartige Steuerbescheide sind in Anbetracht der Schutzbedürfnisse im Insolvenzverfahren folglich nicht geeignet, die Gläubigerinteressen zu beinträchtigen.
Anders als der Kläger meint, wird die Rechtsstellung des Insolvenzverwalters durch dieses Ergebnis nicht eingeschränkt. Begehrt er eine höhere Erstattung, kann er diese im Einspruchs- bzw. Klageverfahren gegen die Steuerfestsetzung geltend machen.


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