Unentgeltliche Übergabe des Betriebs in der Familie: Können nachträglich noch Kosten abgesetzt werden?
Nachträgliche Betriebsausgaben sind durch den Betriebsübergeber auch bei unentgeltlicher Betriebsübergabe absetzbar. Dies gilt zumindest dann, wenn der Betriebsübergeber später eine eigene Schuld bedient, zu deren Kostenübernahme sich der Betriebsübernehmer nur „intern“ verpflichtet hat und er diese Kosten infolge eigener Insolvenz nicht mehr tragen kann.
Hintergrund
Die Kläger wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Vom 1.5.2000 bis zum 30.9.2004 betrieb die Klägerin einen von ihrem Vater (V) übernommenen Maler- und Lackiererbetrieb.
Die Klägerin übertrug dieses Unternehmen am 1.10.2004 mit sämtlichen Aktiva und Passiva an V zurück.
Nach den Vereinbarungen erfolgte die Übertragung unentgeltlich.
V übernahm „mit dem Betriebsübergang sämtliche Rechte und Pflichten betreff des Betriebes, ggf. auch nur im Innenverhältnis“. Auch die Arbeitsverhältnisse gingen auf den neuen Betriebsinhaber über. Das Kapital betrug am 30.9.2004 EUR 2.695,34 EUR.
Wegen im Zeitraum ihrer Betriebsinhaberschaft nicht abgeführter Beiträge zur Urlaubskasse wurde die Klägerin in mehreren arbeitsgerichtlichen Urteilen zur Beitragszahlung verurteilt, und zwar zu rd. 46.000 EUR für den Zeitraum Mai 2000 bis Dezember 2001 und nochmals rd. 46.000 EUR für den Zeitraum Januar bis Dezember 2002. Die Berufung wurde am 28.2.2005 zurückgewiesen. Die Urlaubskasse stimmte einer Schuldübernahme durch den Rechtsnachfolger V nicht zu.
Diese Sachverhalte fanden weder in der zum 31.12.2003 aufgestellten Bilanz vom 15.8.2005 noch in der zum 30.9.2004 aufgestellten Bilanz vom 10.2.2006 Berücksichtigung.
In der Folgezeit leistete V die offene Schuld an die Urlaubskasse durch Ratenzahlung.
In 2016 wurde bei V das Insolvenzverfahren eröffnet.
Die Klägerin (Betriebsübergeberin) zahlte vor diesem Hintergrund in 2014 rd. 6.000 EUR, in 2015 und 2016 jeweils 12.000 EUR an die Urlaubskasse und begehrte hierfür den Ansatz von gewinnmindernden nachträglichen Betriebsausgaben.
Das Finanzgericht verwehrte den begehrten nachträglichen Betriebsausgabenabzug. Eine Berichtigung des falschen Bilanzansatzes habe in der Bilanz des Betriebsübernehmers zu erfolgen. Dem Betriebsübergeber besteht der betriebliche Zusammenhang der vormaligen Betriebsschuld nicht mehr, sodass auch ein nachträglicher Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen sei.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof schloss sich der restriktiven Auffassung der Vorinstanz nicht an und ließ einen Kostenabzug der nachträglich geltend gemachten Betriebsausgaben zu.
Das Einzelunternehmen ging zum 1.10.2004 unentgeltlich auf V über. Die Vermutung der „Unentgeltlichkeit“ bei Übertragungen zwischen einander nahestehenden Personen gelte selbst dann, wenn das Eigenkapital bei Übertragung negativ sei und der Übernehmer sämtliche Betriebsschulden übernimmt. Außerdem spreche für die Unentgeltlichkeit auch die dem Betriebsübernehmer bei Vertragsabschluss bekannte Verbindlichkeit gegenüber der Urlaubskasse.
Für die Zahlungsverpflichtung gegenüber der Urlaubskasse bildete die Klägerin keine Verbindlichkeitsrückstellung bzw. Verbindlichkeit. Dieser Bilanzierungsfehler ist im Jahr der fehlerhaften Bilanzierung zu berichtigen. Scheidet in diesem Jahr die Richtigstellung aus, erfolgt die erfolgswirksame Korrektur in der ersten noch offenen Schussbilanz (formeller Bilanzzusammenhang). Die Korrekturverpflichtung geht bei Betriebsübergabe auf den Rechtsnachfolger über. Im Entscheidungsfall war der Betriebsübernehmer zur Bilanzkorrektur verpflichtet: Es handelte sich zwar nicht um eine eigene Schuld gegenüber der Urlaubskasse; aufgrund der Betriebsübergabevereinbarung hat er die Verpflichtung der Klägerin zumindest im Innenverhältnis zu übernehmen. Zu passivieren war daher eine Freistellungsverpflichtung gegenüber der Betriebsübergeberin.
Die originär von der Klägerin geschuldeten Beitragsverbindlichkeiten gegenüber der Urlaubskasse bleiben bei ihr – trotz Betriebsübertragung – (schlummerndes) Betriebsvermögen. Der Verbindlichkeit steht ein Anspruch auf interne Übernahme durch den Betriebsübernehmer gegenüber. Infolge des (schlummernden) Betriebsvermögens wirken sich eigene Zahlungen auf die Beitragsschuld – selbst wenn sie erst ein Jahrzehnt später erbracht werden – als nachträgliche Betriebsausgaben aus.