Artikel aus dem Themenbereich: Sonstige Steuern vom 05. September 2022

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Höhe der Säumniszuschläge

Es bestehen ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen. Dies gilt zumindest, soweit diese nach dem 31.12.2018 entstanden sind.

Hintergrund

Die X-KG beantragte die Erteilung von Abrechnungsbescheiden für alle ab 01.01.2020 angefallenen Säumniszuschläge. Diese seien hinsichtlich des Zinsanteils und auch des "Druckcharakters" verfassungswidrig.

Gegen die erlassenen Abrechnungsbescheide (Umsatzsteuer Mai 2014 und 2014 bis 2017, in denen das Finanzamt die entstandenen und die noch zu verwirklichenden Säumniszuschläge auswies, legte die X Einspruch ein, der im Hinblick auf das beim Bundesfinanzhof anhängige Revisionsverfahren VII R 55/20 (betr. Säumniszuschläge für 2012, 2015, 2016) ruht. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das Finanzamt ab.

Hierauf beantragte X die Aussetzung der Vollziehung beim Finanzgericht. Dieses gab dem Antrag hinsichtlich der hälftigen nach dem 31.12.2018 entstandenen Säumniszuschläge statt. Im Übrigen (vor dem 01.01.2019 entstandene Säumniszuschläge) wies das Finanzgericht den Antrag mangels ernstlicher Zweifel als unbegründet zurück. Das Finanzgericht ließ die Beschwerde zu.

Entscheidung

Die Beschwerde der X hatte insoweit Erfolg, als der Bundesfinanzhof die Aussetzung der Vollziehung für die nach dem 31.12.2018 entstandenen Säumniszuschläge über den vom Finanzgericht anerkannten hälftigen Teil hinaus (d. h. in vollem Umfang) anerkannte.

Nach der Auffassung des BVerfG verstößt § 233a i. V. m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO gegen Art. 3 Abs. 1 GG und ist daher verfassungswidrig, soweit er auf Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2014 zur Anwendung gelangt. Aufgrund einer Fortgeltungsanordnung für die Verzinsungszeiträume bis zum 31.12.2018 ist der Zinssatz von 6 % p. a. allerdings erst für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2019 nicht mehr anwendbar.

Die Grundsätze des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der Vollverzinsung nach § 233a sind auf die Höhe der Säumniszuschläge übertragbar. Zwar geht das BVerfG davon aus, dass andere Verzinsungstatbestände eigenständig verfassungsrechtlich bewertet werden müssen. Für die Säumniszuschläge hält der Bundesfinanzhof indes auch nach der Entscheidung des BVerfG daran fest, dass die Höhe der Zuschläge verfassungsrechtlich zweifelhaft ist, und zwar soweit die Säumniszuschlägen nicht die Funktion eines Druckmittels, sondern eines Ausgleichs für das Hinausschieben der Zahlung haben (zinsähnliche Funktion). Es ist anerkannt, dass Säumniszuschlägen auch die Funktion einer Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern zukommt.

Da die gesetzlich festgelegte Höhe der Säumniszuschläge nur insgesamt verfassungsgemäß oder verfassungswidrig sein kann, weil es keine Teilverfassungswidrigkeit in Bezug auf einen bestimmten Zweck einer Norm gibt, erfassen die ernstlichen Zweifel die gesamte Höhe der Säumniszuschläge. Die vom Finanzgericht gefundene Lösung, die Aussetzung der Vollziehung nur hälftig anzuerkennen, ist damit ausgeschlossen.


Unsere Fachartikel sind nach bestem Wissen redaktionell erstellt. Eine Haftung und Gewähr für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.
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