Artikel aus dem Themenbereich: Steuerrecht Privatvermögen vom 07. Juni 2023

Scheidungsverfahren: Wie ist die Veräußerung des hälftigen Miteigentumsanteils stuerlich zu bewerten?

Eine steuerpflichtige Veräußerung kann vorliegen, wenn der Ehegatte seinen Miteigentumsanteil wegen drohender Zwangsvollstreckung entgeltlich in einer Scheidungsfolgenvereinbarung auf seinen geschiedenen Ehepartner überträgt.

Hintergrund

A und seine inzwischen von ihm geschiedene Ehefrau B erwarben im Dezember 2008 ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück zu jeweils hälftigem Miteigentum. Sie bewohnten das Objekt gemeinsam mit ihrem in 2007 geborenen Sohn S.

Im Jahr 2015 zog A aus. Die Ehe wurde im Jahr 2017 geschieden. Nachdem B die Zwangsversteigerung für den Fall angedroht hatte, dass ihr A seinen hälftigen Miteigentumsanteil nicht verkaufen sollte, veräußerte A seinen Anteil im Jahr 2017 an B. Dabei erzielte er einen Veräußerungsgewinn.

Das Finanzamt unterwarf bei der Einkommensteuer-Veranlagung des A für 2017 den Veräußerungsgewinn der Einkommensteuer. Dem folgte das Finanzgericht (FG) und wies die Klage ab. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken durch A liege nach dessen Auszug nicht vor. Eine mittelbare Nutzung des A durch alleinige Überlassung an den minderjährigen S habe schon deshalb nicht vorgelegen, weil dieser keinen eigenen Haushalt habe führen können. Zudem habe sich A nicht in einer den Veräußerungstatbestand ausschließenden Zwangslage befunden.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof (BFH) bestätigte das Urteil des FG. A hat ein privates Veräußerungsgeschäft getätigt. Die Ausnahme für den Fall des selbst genutzten Wohneigentums nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG liegt nicht vor.

A hat den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG verwirklicht, indem er seinen im Jahr 2008 erworbenen Miteigentumsanteil mit Scheidungsfolgenvereinbarung und Veräußerungsvertrag von 2017 – somit innerhalb der 10-jährigen Halterfrist – an B veräußert hat.

A hat die Scheidungsfolgenvereinbarung nach Einholung einer steuerlichen Beratung willentlich abgeschlossen. Er befand sich dabei nicht in einer ein Veräußerungsgeschäft ausschließenden Zwangslage. Er wollte einen angemessenen Preis erzielen und einen mit der Zwangsversteigerung einhergehenden Schaden vereiden. Ob sich A in einer wirtschaftlich oder emotional angespannten Situation befand, ist unerheblich. Denn der Motivlage kommt (abgesehen vom Verlust des Eigentums aufgrund Hoheitsakts) regelmäßig keine Relevanz zu.

Der Ausdruck "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" in beiden Alternativen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG setzt voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen dauerhaft geeignet ist und vom Steuerpflichtigen auch selbst genutzt wird. Der Begriff ist entsprechend dem Zweck, die Besteuerung bei Wohnsitzwechsel zu vermeiden, weit auszulegen. Unschädlich ist, wenn der Steuerpflichtige das Objekt gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohnt. Zeitweiliges Bewohnen reicht aus, wenn das Gebäude in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht.

Der Steuerpflichtige nutzt die Wohnung auch dann zu eigenen Wohnzwecken, wenn er sie in Erfüllung seiner Unterhaltspflicht seinem Kind zur Verfügung stellt. Die Nutzung durch das Kind wird dem Eigentümer als eigene zugerechnet, weil er für die Unterbringung des Kindes sorgen muss. Der Begriff "eigene" Wohnzwecke umfasst (mittelbar) auch die Wohnzwecke von Kindern, die beim Steuerpflichtigen nach § 32 EStG zu berücksichtigen sind. Bei diesen Kindern kann das das Bestehen einer Unterhaltspflicht bzw. das Entstehen von Aufwendungen typisierend unterstellt werden.

Nach dieser typisierenden Wertung wird eine zu Unterhaltszwecken unentgeltlich bereitgestellte Wohnung aber dann nicht mehr i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG (mittelbar) zu "eigenen Wohnzwecken" genutzt, wenn die Immobilie neben einem Kind auch anderen Angehörigen überlassen wird. Die Wohnung ist dann nicht Teil des auf mehrere Örtlichkeiten verteilten Familienhaushalts.

Hiervon ausgehend nutzte A das Einfamilienhaus nicht im Zeitraum zwischen Anschaffung (2008) und Veräußerung (2017) oder im Jahr der Veräußerung (2017) und in den beiden vorangegangenen Jahren (2015 und 2016) zu eigenen Wohnzwecken. A kann die Nutzung durch seinen Sohn nicht als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken zugerechnet werden. Denn nach dem Auszug des A nutzte auch seine geschiedene Ehefrau B das Haus zu Wohnzwecken.

Die Nutzung durch die geschiedene B kann dem A nicht als Eigennutzung zugerechnet werden. Es fehlt an einer entsprechenden Rechtsgrundlage. Denn eine Nutzung zu "eigenen Wohnzwecken" liegt nur vor, wenn unterhaltsberechtigte Personen (wie Kinder) typischerweise zur Lebens- oder Wirtschaftsgemeinschaft gehören. Das ist bei dauernd getrennt lebenden Ehegatten, die nicht mehr Teil einer Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft sind, nicht der Fall. Denn bei dauernd getrennt lebenden Ehegatten ist der laufende Unterhalt regelmäßig durch Zahlung einer Geldrente zu gewähren.


Unsere Fachartikel sind nach bestem Wissen redaktionell erstellt. Eine Haftung und Gewähr für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.
Sprechen Sie uns gerne für eine persönliche Beratung an: +49 6173 7835-0

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