Artikel aus dem Themenbereich: Steuerrecht Arbeitnehmer vom 25. Juni 2024

Wann kann das Finanzamt einen vorläufigen Steuerbescheid ändern?

Der Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO ermöglicht lediglich eine Änderung zu Gunsten des Steuerpflichtigen, nicht aber eine Änderung zu dessen Ungunsten.

Hintergrund

Die Klägerin absolvierte in den Jahren 2009 und 2010 einen Lehrgang als Rettungssanitäterin, der rund 3 Monate dauerte. Anschließend begann sie ein Medizinstudium, das in den Jahren 2011-2016 zu erheblichen Verlusten führte. Diese Verluste machte sie steuermindernd geltend.

Die Verluste wurden anerkannt, die Steuerbescheide ergingen aber hinsichtlich der Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein Studium als Werbungskosten vorläufig. Ab 2015 wurde § 9 Abs. 6 EStG enger gefasst. Demnach muss die Erstausbildung, die Voraussetzung für die Geltendmachung der Studienkosten ist, mindestens 12 Monate gedauert haben. Aufgrund dieser Neuregelung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die Verluste in den Jahren 2015 und 2016 zu Unrecht bei der Klägerin anerkannt worden seien

Das Finanzamt änderte die Einkommensteuerbescheide 2015 und 2016 dahingehend, dass die Verluste nicht mehr berücksichtigt wurden. Zur Erläuterung wurde auf die Norm des § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO verwiesen. Nach einem erfolglosen Einspruchsverfahren wandte sich die Klägerin an das Finanzgericht.

Entscheidung

Die Klägerin hatte beim Finanzgericht mit ihrem Ansinnen Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts war das Finanzamt nicht berechtigt, die Einkommensteuerbescheide 2015 und 2016, in denen die Verluste als vorweggenommene Werbungskosten anerkannt worden waren, zu ändern. Nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO, auf den sich die Finanzverwaltung bezog, kann eine vorläufige Steuerfestsetzung erfolgen, wenn fraglich ist, ob eine Bestimmung mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Mit ihr soll vor allem vermieden werden, dass es zu einer Vielzahl von Rechtsbehelfsverfahren kommt. Ausgangspunkt für die Anwendung der Regelung müsse deshalb eine den Steuerpflichtigen belastende Regelung sein, deren Rechtmäßigkeit fraglich und zu der ein Musterverfahren anhängig ist. Vor diesem Hintergrund könne ein Vorläufigkeitsvermerk grundsätzlich nur zu einer für den Steuerpflichtigen günstigeren Änderung führen. Eine Änderung zu Lasten des Steuerpflichtigen sei nicht zulässig. Insofern sei hier keine Änderung der Steuerbescheide 2015 und 2016 möglich gewesen.


Unsere Fachartikel sind nach bestem Wissen redaktionell erstellt. Eine Haftung und Gewähr für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.
Sprechen Sie uns gerne für eine persönliche Beratung an: +49 6173 7835-0

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