Artikel aus dem Themenbereich: GmbH vom 15. Juli 2022

Wegzugsbesteuerung bei Übertragung von GmbH-Anteilen an einen USA-Ansässigen

Werden Anteile an einer Kapitalgesellschaft auf einen beschränkt Steuerpflichtigen unentgeltlich übertragen, ist das Recht Deutschlands zur Besteuerung der in den übertragenen Anteilen ruhenden stillen Reserven nicht ausgeschlossen oder beschränkt.

Hintergrund

Der Vater V übertrug im Jahr 2009 an seinen Sohn S, der die US-amerikanische Staatsbürgerschaft besaß und im Zeitpunkt der Übertragung in den USA ansässig war, einen Geschäftsanteil an einer GmbH mit Sitz im Inland. Das Vermögen der GmbH bestand überwiegend aus im Inland belegenem Grundvermögen. In unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hatte V weitere Geschäftsanteile an der GmbH an seine Ehefrau E übertragen. Das Finanzamt behandelte die Übertragungen auf S und E als teilentgeltliche Erwerbe und setzte für V einen steuerpflichtigen Übertragungsgewinn für die Übertragung auf S und E an. Für den unentgeltlichen Teil der Übertragung auf S bejahte das Finanzamt die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG. Es ermittelte einen (weiteren) Veräußerungsgewinn und setzte die Einkommensteuer für V entsprechend fest. Das Finanzgericht folgte dem Finanzamt und wies die gegen die Wegzugsbesteuerung gerichtete Klage des V ab.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof sah § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG im Streitfall als erfüllt an und entschied, dass eine einschränkende Auslegung nicht in Betracht kommt. V hat die Anteile an der GmbH, an der er innerhalb der letzten fünf Jahre zu mindestens 1 % beteiligt war, durch teilweise unentgeltliches Rechtsgeschäft auf seinen nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Sohn S übertragen. Damit sind bei V dem Wortlaut nach die Voraussetzungen der Wegzugsbesteuerung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG erfüllt. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG ist weder aus teleologisch-historischen noch aus systematischen Gründen einschränkend dahingehend auszulegen, dass durch die unentgeltliche Anteilsübertragung auf einen beschränkt Steuerpflichtigen das Recht Deutschlands zur Besteuerung der in den unentgeltlich übertragenen Anteilen ruhenden stillen Reserven ausgeschlossen oder beschränkt werden müsste.

Die mit der Revision verfolgte einengende Auslegung des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG ist auch nicht aus verfassungsrechtlicher Sicht geboten. Denn eine verfassungskonforme Auslegung scheidet aus, wenn sie dem Wortlaut der auszulegenden Norm sowie dem klar erkennbaren Willen des Gesetzes widerspricht. Die Norm durchbricht zwar das Realisationsprinzip, nach dem Wertzuwächse grundsätzlich erst bei einer transaktionsbezogenen Gewinnrealisierung erfasst werden dürfen. Jedoch ist ausnahmsweise die Abrechnung der vorhandenen stillen Reserven bereits vorher ohne Transaktion zulässig, wenn ein späterer Steuerzugriff (z. B. aufgrund von DBA) nicht mehr oder nur eingeschränkt möglich wäre. § 6 Abs. 1 AStG verlagert damit lediglich die Besteuerung zeitlich vor, die nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG grundsätzlich vorgesehen ist. Die einengende Auslegung ist im Streitfall auch nicht unionsrechtlich geboten. Zwar ist bei einer Schenkung von Anteilen die Kapitalverkehrsfreiheit einschlägig. Damit stellt sich jedoch nicht die Frage der Rechtfertigung der sofortigen Entstrickungsbesteuerung nach § 6 AStG. Denn die sog. Standstill-Klausel greift ein, weil mit der Übertragung der Anteile von V auf S eine Direktinvestition vorliegt und § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG für Schenkungen seit dem Stichtag (31.12.1993) unverändert gegolten hat. V kann sich damit nicht auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen. Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 24 Abs. 1 DBA-USA (Verbot der höheren Besteuerung von Staatsangehörigen des anderen Vertragsstaats) vor. Dieses Verbot greift schon deshalb nicht ein, weil die Steuerpflicht des V nicht an die Staatsangehörigkeit, sondern an den Wohnsitz und den gewöhnlichen Aufenthalt des S als Erwerber anknüpft.


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