Artikel aus dem Themenbereich: Kapitalanlage und Versicherung vom 07. Juni 2023

Wegzugsbesteuerung: Was bedeutet "vorübergehende Abwesenheit"?

Das zum Entfallen der sog. Wegzugsbesteuerung führende Merkmal der nur "vorübergehenden Abwesenheit" ist unabhängig von einer "Rückkehrabsicht" erfüllt, wenn der Steuerpflichtige innerhalb des gesetzlich bestimmten Zeitrahmens von 5 Jahren nach dem Wegzug wieder unbeschränkt steuerpflichtig wird.

Hintergrund

X zog unter Aufgabe seines inländischen Wohnsitzes zum 1.3.2014 nach Dubai (Vereinigte Arabische Emirate, VAE). Dort bezog er eine Eigentumswohnung. Bis zum 31.12.2015 hatte er im Inland keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt. Zum Zeitpunkt seines Wegzugs war er u. a. an verschiedenen Kapitalgesellschaften mit inländischem Sitz beteiligt.

Ab 1.1.2016 war X wieder unter einer inländischen Anschrift gemeldet. Zum 10.12.2016 meldete er sich erneut aus Deutschland in die VAE ab. Zum 1.8.2017 meldete er den Rückzug aus den VAE nach Deutschland an.

Im Oktober 2016 hatte der Prozessbevollmächtigte des X dem Finanzamt mitgeteilt, X halte sich in 2016 in der Weise in Deutschland auf, dass er als unbeschränkt steuerpflichtig anzusehen sei (Wohnsitzverlegung). In 2016 werde die Abwicklung seines Vermögens betrieben, damit der Wohnsitz zum 1.1.2017 wieder (und dann dauerhaft) in das Inland verlegt werden könne.

Das Finanzamt erfasste für das Wegzugsjahr 2014 Veräußerungsgewinne i. S. v. § 6 Abs. 1 AStG i. V. m. § 17 EStG. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 AStG für ein Entfallen der Wegzugsbesteuerung wegen nur vorübergehender Abwesenheit seien nicht erfüllt.

Die dagegen gerichtete Klage blieb im Streitpunkt ohne Erfolg. X habe nicht glaubhaft gemacht, dass er bei seinem Wegzug in die VAE die Absicht hatte, nach Deutschland zurückzukehren.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof (BFH) widerspricht dem FInangericht (FG). Es liegt nur eine "vorübergehende Abwesenheit" vor, die "nachträglich" den Besteuerungstatbestand ausschließt.

Die Voraussetzungen der Wegzugsbesteuerung liegen im Streitfall vor. X war innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Wegzug in die VAE am Kapital der Gesellschaften unmittelbar zu mindestens 1 % beteiligt. Vor dem Wegzug war er auch für mindestens zehn Jahre im Inland unbeschränkt steuerpflichtig und die Aufgabe des inländischen Wohnsitzes (und des gewöhnlichen Aufenthalts) im März 2014 hat zur Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht geführt.

Beruht die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht auf "vorübergehender Abwesenheit" und wird der Steuerpflichtige innerhalb von fünf Jahren seit Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht wieder unbeschränkt steuerpflichtig, entfällt der auf der Grundlage der Wegzugsbesteuerung entstandene Steueranspruch. Die Voraussetzungen für die Annahme einer vorübergehenden Abwesenheit für das Vorliegen dieser "Rückausnahme" waren bisher umstritten.

Nach der Auffassung der Finanzverwaltung und Teilen der Literatur wird im Sinne einer "subjektiven Theorie" für das Merkmal der vorübergehenden Abwesenheit verlangt, dass bei Wegzug der Wille zur Rückkehr und damit der Wille, wieder unbeschränkt steuerpflichtig zu werden, besteht und dass dies glaubhaft zu machen ist.

Demgegenüber wird ausgehend von einer "objektiven Theorie" das Erfordernis eines Rückkehrwillens abgelehnt, da das Merkmal der "vorübergehenden Abwesenheit" allein das gesetzgeberische Motiv für das Entfallen der Wegzugsbesteuerung benenne, ohne dass dies als absichtsbegründete eigentliche Tatbestandsvoraussetzung verstanden werden könne.

Im Sinne einer "eingeschränkten objektiven Theorie" wird die Auffassung vertreten, dass auch unter Berücksichtigung einer Rückkehrabsicht die "fristgemäße Rückkehr" für das Entfallen der Wegzugsbesteuerung zumindest in den Fällen ausreicht, in denen die Rückkehr innerhalb von fünf Jahren erfolgt.

Der BFH befürwortet die "eingeschränkte objektive Theorie". Der Wortlaut des § 6 Abs. 3 Satz 1 AStG gibt zum Zeitpunkt der entsprechenden Willensbildung keine Auskunft. Denn erst in der Sondersituation des § 6 Abs. 3 Satz 2 AStG ordnet das Gesetz eine solche Rückkehrabsicht ausdrücklich an. Damit löst der Umstand der tatsächlichen (zeitgerechten) Rückkehr in der Grundsituation des Satzes 1 das Entfallen der Belastung (die "Begünstigung") aus und indiziert das Beruhen der Rückkehr auf einer ursprünglich bestehenden Rückkehrabsicht.

Hiervon ausgehend war die Revision des X im Streitpunkt begründet. Die zeitgerechte Rückkehr indiziert den Rückkehrwillen, sodass eine vorübergehende Abwesenheit des X im Sinne der Rückkehrerregelung vorliegt.


Unsere Fachartikel sind nach bestem Wissen redaktionell erstellt. Eine Haftung und Gewähr für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.
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