Artikel aus dem Themenbereich: Steuerrecht Privatvermögen vom 16. Januar 2023

Handelt es sich bei Wohnungsüberlassung bei Trennung der Eheleute um begünstigten Unterhalt?

Bei der unentgeltlichen Nutzungsüberlassung einer Wohnung an den geschiedenen oder dauerhaft getrennt lebenden Ehegatten handelt es sich um Naturalunterhalt, der in Höhe der ortsüblichen Miete als Sonderausgaben berücksichtigt werden kann.

Hintergrund

A und seine (nunmehr von ihm geschiedene) Ehefrau (B) waren im Jahr 2015 noch miteinander verheiratet, lebten aber dauernd getrennt. B und die beiden gemeinsamen Kinder bewohnten weiterhin bis zum Jahresende die bisherige Familienwohnung, die den Eheleuten hälftig gehörte.

Aufgrund einer Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung der Eheleute aus 2015 berücksichtigte das Finanzamt bei A für 2015 dessen Unterhaltsleistungen an B (Geld- und Sachlistungen) als Sonderausgaben. Der Einkommensteuer-Bescheid wurde bestandskräftig.

Im Jahr 2018 beantragte A die Änderung des Einkommensteuer-Bescheids unter Abzug höherer Unterhaltsleistungen. Für die Überlassung der (hälftigen) Wohnung sei nicht der in der Trennungsvereinbarung festgelegte Betrag (monatlich 400 EUR), sondern der tatsächliche Mietwert (818 EUR) anzusetzen. Dem Antrag beigefügt war eine familiengerichtliche Vereinbarung der Eheleute, in der B dem Realsplitting zugestimmt hatte.

Das Finanzamt und ihm folgend das Finanzgericht lehnten den Antrag mit der Begründung ab, die Eheleute hätten in der Trennungsvereinbarung eine mietsvertragsähnliche Regelung über die Nutzungsüberlassung für 400 EUR monatlich getroffen. Dieser Betrag sei auch steuerrechtlich maßgeblich.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof widerspricht dem Finanzgericht. Die Nutzungsüberlassung des Miteigentumsanteils des A an die B beruht nicht auf einer mietvertragsähnlichen Vereinbarung, sondern auf einer unentgeltliche Naturalunterhaltsleistung, die mit dem üblichen Mittelpreis des Verbrauchsorts anzusetzen ist.

Der Begriff “Unterhaltsleistungen” in § 10 Abs. 1a Nr. 1 Satz 1 EStG entspricht dem in § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG enthaltenen Begriff “Aufwendungen für den Unterhalt”. Danach sind Unterhaltsleistungen die typischen Aufwendungen zur Bestreitung der Lebensführung (z. B. Ernährung, Kleidung, Wohnung). Dabei kann der Unterhalt in Geld oder geldwerten Sachleistungen erbracht werden.

Der in der unentgeltlichen Wohnungsüberlassung liegende Naturalunterhalt ist für den Sonderausgabenabzug entsprechend § 15 Abs. 2 BewG mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsorts anzusetzen. Dadurch wird der Anspruch des Unterhaltsberechtigten auf Barunterhalt vermindert, sodass die Wohnungsüberlassung einer geldwerten Sachleistung (Ausgabe) gleichzusetzen ist. Die Wohnungsüberlassung unter gleichzeitiger Verminderung des Barunterhalts kürzt den Zahlungsweg der Unterhaltsleistungen ab.

Das Finanzgericht hat die Vereinbarung dahin gewürdigt, dass A seinen Miteigentumsanteil entgeltlich (“mietvertragsähnlich”) an B überlassen und deshalb keinen Naturalunterhalt geleistet habe. Dieser Auslegung widerspricht der Bundesfinanzhof. Sie verstößt gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln und bindet daher den Bundesfinanzhof nicht. Die Vereinbarung enthält weder wörtlich noch sinngemäß Anhaltspunkte für eine mietrechtliche Nutzungsüberlassung. Denn sie spricht von einem “Wohnvorteil” und nicht von einer “Wohnraumvermietung” und verwendet nicht die Begriffe “Miete” oder “Entgelt”. Zudem wäre bei einer mietvertragsähnlichen Vereinbarung der nachfolgende familienrechtliche Rechtsstreit über die Höhe des geleisteten Trennungsunterhalts nicht verständlich.

Das Finanzgericht hat die Ermittlung der ortsüblichen Miete für den überlassenen Miteigentumsanteil nachzuholen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass für den Vorteil aus der Überlassung einer Wohnung in der Trennungsphase von Ehegatten der Mietwert maßgeblich ist, den der Unterhaltsberechtigte auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine dem ehelichen Lebensstandard entsprechende angemessene kleinere Wohnung zahlen müsste. Würde der Wohnvorteil in Höhe des objektiven Mietwerts auf den Unterhaltsanspruch angerechnet, benachteiligte dies den Berechtigten. Eine Verwertung des Familienheims ist in der Trennungsphase nicht notwendig, da während dieser Phase eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft noch nicht ausgeschlossen ist. Neben der Ermittlung der ortsüblichen Miete ist auch zu berücksichtigen, ob und – bejahendenfalls – in welcher Höhe ein auf die beiden gemeinsamen Kinder entfallender Wohnvorteil bei der Beurteilung der abziehbaren Unterhaltsleistungen außer Betracht bleibt.


Unsere Fachartikel sind nach bestem Wissen redaktionell erstellt. Eine Haftung und Gewähr für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.
Sprechen Sie uns gerne für eine persönliche Beratung an: +49 6173 7835-0

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