Artikel aus dem Themenbereich: Privater Immobilienbesitz vom 16. Januar 2023

Zur AfA-Berechtigung des Nießbrauchers bei verlängertem Vorbehaltsnießbrauch

Wird eine mit einem Vorbehaltsnießbrauch belastete Immobilie mit Zustimmung des Nießbrauchers gegen eine andere Immobilie in der Weise ausgetauscht, dass dem Nießbraucher an der neuen Immobilie wiederum ein Nießbrauch eingeräumt wird, und trägt der Nießbraucher wirtschaftlich die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Ersatzimmobilie, so setzt sich der Vorbehaltsnießbrauch an der erworbenen Immobilie fort (verlängerter Vorbehaltsnießbrauch).

Hintergrund

Die Eheleute AB lebten bis 2013 in einem der Ehefrau (B) gehörenden Einfamilienhaus in A-Stadt. B hatte dieses Hausgrundstück im Jahr 2002 unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf die drei Kinder übertragen. Dabei hatten sich AB ein Nießbrauchsrecht bis zum Tod des Längstlebenden vorbehalten.

Im Jahr 2013 wollten AB umziehen. Daher vereinbarten sie mit ihren Kindern, dass das Einfamilienhausgrundstück verkauft wird und AB ihre Nießbrauchsrechte löschen lassen. Die Nießbrauchsrechte sollten jedoch in der Weise fortbestehe, dass aus dem Verkaufserlös eine oder mehrere Immobilien auf den Namen der Kinder erworben werden und an diesen wiederum ein Nießbrauchsrecht zugunsten der AB bestellt wird. Bis dahin sollte den AB das Nießbrauchsrecht an dem Verkaufserlös zustehen.

Nachfolgend wurde das Einfamilienhausgrundstück veräußert und die AB bewilligten die Löschung der bestellten Nießbrauchsrechte. Der Kaufpreis wurde auf das gemeinsame Konto der AB überwiesen.

Im Jahr 2013 erwarben die Kinder eine Eigentumswohnung in B-Stadt und ein (im Bau befindliches) Pflegeappartement in C-Stadt. An beiden Objekten bestellten sie Gunsten der AB ein lebenslängliches uneingeschränktes Nießbrauchsrecht, wobei sie vereinbarten, dass die Nießbrauchsbestellung in Fortsetzung des Nießbrauchsrechts an der Immobilie A-Stadt erfolgt. Der Kaufpreis wurde von dem gemeinsamen Konto der AB überwiesen. Die AB vermieteten das Objekt B-Straße sowie (nach Fertigstellung im Jahr 2015) auch das Appartement C-Straße an einen Dritten.

Die AB machten bei ihren Vermietungseinkünften AfA von den Anschaffungskosten (Grundstück plus Gebäude) geltend und vertraten die Meinung, dieser Betrag sei auf die durchschnittliche Lebenserwartung des Längstlebenden (20 Jahre) abzuschreiben, da das Nießbrauchsrecht entgeltlich erworben worden sei.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass der Vorbehaltsnießbrauch an den neuen Grundstücken (B-, C-Stadt) das Surrogat für den Nießbrauch an dem früheren Grundstück (A-Stadt) darstelle und die AfA daher mit lediglich 2% auf die Nutzungsdauer der Gebäude bezogen werden könne. Dem folgte das FG und wies die Klage ab.

Entscheidung

Die Revision wurde im Streitpunkt als unbegründet zurückgewiesen. Den AB stehen keine höheren AfA auf die Anschaffungskosten der Eigentumswohnung B-Stadt und die Herstellungskosten des Pflegeappartements C-Stadt zu.

Die AfA stehen auch einem Vorbehaltsnießbraucher zu, der aufgrund seines dinglichen Rechts Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, soweit er die Anschaffungs-/ Herstellungskosten getragen hat, bevor er das Grundstück unter Nießbrauchsvorbehalt übereignet hat. Denn er nutzt das Grundstück ununterbrochen aufgrund eigenen Rechts. Wer hingegen ein Gebäude aufgrund eines ihm unentgeltlich zugewendeten Nießbrauchs (Zuwendungsnießbrauch) nutzt, ist nicht AfA-berechtigt, wenn nicht er, sondern der Eigentümer die Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen hat.

Der hier vorliegende Fall des “verlängerten Vorbehaltsnießbrauchs” ist dem Vorbehaltsnießbrauch (und der mittelbaren Grundstücksschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt) gleichzustellen. Wenn ein mit einem Vorbehaltsnießbrauch belastetes Grundstück mit Zustimmung des Nießbrauchers gegen ein anderes Grundstück ausgewechselt und dem bisherigen Nießbraucher an dem neuen Grundstück wiederum ein Nießbrauch eingeräumt wird, handelt es sich bei wirtschaftlicher Betrachtung aufgrund des zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs steuerrechtlich um das Fortbestehen des Vorbehaltsnießbrauchs. Der Vorbehaltsnießbrauch setzt sich an der erworbenen Immobilie im Wege der Surrogation fort.

Das gilt nicht nur, wenn der Eigentümer bei der Veräußerung der belasteten Immobilie bereits über die Ersatzimmobilie verfügen konnte. Das gilt auch dann, wenn er erst mit dem Erlös aus der Veräußerung der Altimmobilie die Ersatzimmobilie anschaffen kann und sich der Nießbrauch in der Zeit zwischen der Veräußerung der Altimmobilie und der Anschaffung der Ersatzimmobilie vereinbarungsgemäß auf den Veräußerungserlös erstreckt. Es liegt auch dann bei wirtschaftlicher Betrachtung entsprechend der zugrunde liegenden Vereinbarung eine Fortsetzung des Vorbehaltsnießbrauchs an der Ersatzimmobilie als Surrogat vor.

Im Streitfall hat sich der an der Altimmobilie bestellte Vorbehaltsnießbrauch an den Ersatzimmobilien im Wege der Surrogation fortgesetzt. Den AB stehen daher AfA nur für den Gebäudeanteil der Ersatzimmobilien zu (nicht für die geltend gemachten Gesamtkosten einschließlich Grundstücksanteil). Der AfA-Satz beträgt lediglich 2% nach § 7 Abs. 4 EStG. Ein höherer (an der Lebenserwartung der AB orientierter) AfA-Satz steht den AB nicht zu.


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