Artikel aus dem Themenbereich: Steuerrecht Privatvermögen vom 15. Februar 2024

Erbauseinandersetzung führt nicht zu privatem Veräußerungsgeschäft

Der entgeltliche Erwerb eines Anteils an einer Erbengemeinschaft führt nicht zur anteiligen Anschaffung eines zum Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft gehörenden Grundstücks.

Hintergrund

Die Beteiligten streiten über das Vorliegen von Einkünften nach § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 des EStG wegen der Veräußerung von zur Erbmasse gehörendem Grundbesitz nach dem Erwerb aller übrigen Miterbenanteile durch einen Erben.

Der Kläger ist Erbe mit einem Erbanteil von 52 % nach der 2015 verstorbenen Erblasserin. Zu seinen Lasten wurde Nacherbfolge angeordnet. Weitere Erben zu jeweils 24 % und zugleich Nacherben nach dem Kläger wurden die Kinder der Erblasserin. Der Nachlass bestand zum Teil aus Grundstücken.

Am 27.8.2015 wurden der Kläger und die Kinder der Erblasserin im Grundbuch als Eigentümer der Grundstücke in Erbengemeinschaft eingetragen. Mit notarieller Urkunde vom 18.4.2017 übertrugen die Kinder der Erblasserin als Nacherben das Nacherbenanwartschaftsrecht an dem Erbteil des Klägers mit allen Rechten und Pflichten an diesen zur Alleinberechtigung und traten dieses Recht mit sofortiger dinglicher Wirkung ab.

In der Folge übertrugen die Kinder der Erblasserin mit notarieller Urkunde vom 27.4.2017 ihren Erbanteil an einen Dritten. Nach der Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts übertrug dieser die von den beiden Kindern der Erblasserin erworbenen Erbanteile mit notarieller Urkunde vom 20.10.2017 auf den Kläger. Zugleich wurde die Erbengemeinschaft auseinandergesetzt. Der Kläger wendete den in der notariellen Urkunde vom 20.10.2017 genannten Betrag für die Erbanteile der Kinder der Erblasserin auf. Mit notarieller Urkunde vom 9.2.2018 veräußerte der Kläger den aus dem Nachlass stammenden Grundbesitz.

Das Finanzamt kam zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich des Erwerbs der Erbanteile vom Dritten eine anteilige entgeltliche Anschaffung des Grundbesitzes i. H. v. 48 % durch den Kläger vorliege. Da zwischen dem Erwerb der Erbanteile und dem Verkauf des Grundbesitzes im Streitjahr 2018 nicht mehr als zehn Jahre gelegen hätten, lägen sonstige Einkünfte aufgrund eines privaten Veräußerungsgeschäfts vor.

Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen eingelegte Sprungklage als unbegründet zurück.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat der Revision des Klägers stattgegeben. Das FG hat zu Unrecht einen vom Kläger zu versteuernden Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG wegen der Veräußerung des Grundbesitzes angenommen.

Hierzu führten die Richter u. a. aus: Nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des § 23 EStG sollen innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Wertänderungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen werden. Daraus ergibt sich das Erfordernis der Nämlichkeit von angeschafftem und innerhalb der Haltefristen veräußertem Wirtschaftsgut, wobei Nämlichkeit Identität im wirtschaftlichen Sinn bedeutet. Wirtschaftliche Teilidentität ist grundsätzlich ausreichend, begründet ein privates Veräußerungsgeschäft aber nur für diesen Teil des betreffenden Wirtschaftsguts.

Im Grundsatz führt der entgeltliche Erwerb eines Anteils an einer gesamthänderischen Beteiligung nicht zur (anteiligen) Anschaffung der Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens.

Eine gesamthänderische Beteiligung ist kein Grundstück und auch kein Recht, das den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegt. Das gilt selbst dann, wenn sich im Gesamthandsvermögen nur Grundstücke befinden. Der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ist zivilrechtlich zu verstehen. Eine gesamthänderische Beteiligung vermittelt aber keinen sachenrechtlich fassbaren Anteil und infolgedessen auch kein Verfügungsrecht des einzelnen an den Gegenständen des Gesamthandsvermögens. Sie kann deshalb einem Grundstück oder einem grundstücksgleichen Recht nicht gleichgestellt werden.

Daran ändert § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO nichts. Nach dieser Vorschrift werden Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, den Beteiligten anteilig zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist. Nach gefestigter Rechtsprechung des BFH wird eine anteilige Zurechnung i. S. d. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO im Rahmen des § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG nur erforderlich, wenn die Gesamthand selbst, die nicht Schuldnerin der Einkommensteuer ist, den Besteuerungstatbestand erfüllt. Bei Anschaffungs- oder Veräußerungsvorgängen, die – wie hier – von einzelnen Gesellschaftern oder Gemeinschaftern verwirklicht werden, ist dagegen eine Zurechnung nach Bruchteilen nicht erforderlich. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO ist daher nicht anzuwenden, wenn der Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts deshalb nicht erfüllt ist, weil kein Grundstück, sondern ein Gesellschafts- oder Gemeinschaftsanteil angeschafft worden ist. Soweit der BFH eine hiervon abweichende Auffassung vertreten hat, hält er hieran nicht länger fest.

Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht aus dem Beschluss des Großen Senats des BFH v. 5.7.1990, GrS 2/89 zur Erbauseinandersetzung. Soweit dort ausgeführt ist, dass dem Erbanteilskäufer Anschaffungskosten für die hinzuerworbenen Anteile am Gemeinschaftsvermögen entstehen, lässt diese Aussage nicht hinreichend klar erkennen, ob die Anschaffungskosten den Anteilen oder den Gegenständen im Gemeinschaftsvermögen zuzuordnen sind.

Auch aus § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift gilt die Anschaffung oder Veräußerung einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an einer Personengesellschaft als Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter. Die Vorschrift erfasst nach ihrem klaren und eindeutigen Wortlaut nur Beteiligungen an Personengesellschaften. Dies schließt eine Anwendung der Regelung auf Erbengemeinschaften aus, da diese nicht zu den Personengesellschaften zählen.

Die Voraussetzungen eines privaten Veräußerungsgeschäfts i. S. v. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG liegen nicht vor. Es besteht keine Nämlichkeit zwischen dem angeschafften und dem veräußerten Wirtschaftsgut. Aufgrund notarieller Urkunde v. 20.10.2017 erwarb der Kläger die Erbanteile der beiden Kinder der Erblasserin, mithin die quotenmäßig bestimmte Teilhaberschaft an der Erbengemeinschaft als Gesamthandsgemeinschaft. Mit notarieller Urkunde vom 9.2.2018 veräußerte er hingegen das aus dem Nachlass stammende Grundstück.


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