Artikel aus dem Themenbereich: Lohn und Gehalt vom 31. August 2023

Zur Verrechnung und Hinzurechnung einer Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für mehrere Jahre

Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, die dem Steuerpflichtigen erstattet worden sind, sind auch dann mit entsprechenden Aufwendungen zu verrechnen und dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen, wenn die Erstattung darauf beruht, dass ein Sozialversicherungsverhältnis rückabgewickelt oder rückwirkend umgestellt worden ist.

Hintergrund

Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2017 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war Empfänger von Versorgungsbezügen; die Klägerin erhielt eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Die Klägerin erhielt im Jahr 2017 von der X-Krankenkasse eine Erstattung von Beiträgen zur Basis-Krankenversicherung und zur Basis-Pflegeversicherung der Jahre 2003 bis 2016 in Höhe von 39.509,40 EUR. Der Erstattung war ein sozialgerichtliches Verfahren vorausgegangen, in dessen Rahmen festgestellt worden war, dass die Klägerin für den genannten Zeitraum zu Unrecht zur freiwilligen Krankenversicherung herangezogen worden sei; tatsächlich habe sie die Voraussetzungen der Pflichtversicherung erfüllt. Das Versicherungsverhältnis wurde in der Folge rückwirkend umgestellt.

Das Finanzamt erfasste die Zahlung der Krankenkasse als erstattete Aufwendungen i. S. v. § 10 Abs. 4b Satz 2 EStG und verrechnete diese zunächst mit den Vorsorgeaufwendungen der Kläger gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Den verbleibenden Betrag von 37.719 EUR rechnete das Finanzamt gem. § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzu.

Entscheidung

Die gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich der Rechtsauffassung der Vorinstanz ebenfalls angeschlossen und die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen.

Aufwendungen sind grundsätzlich alle Ausgaben, die in Geld oder Geldeswert bestehen und aus dem Vermögen des Steuerpflichtigen abfließen. Erstattet i. S. v. § 10 Abs. 4b Sätze 2 und 3 EStG sind diejenigen Aufwendungen aus dem jeweiligen sachlichen Anwendungsbereich der genannten Regelungen, die dem Steuerpflichtigen in einer Umkehrung der Ausgaben in Geld oder Geldeswert nach Abfluss wieder zufließen. Eine Einschränkung im Hinblick auf den tatsächlichen oder rechtlichen Grund für diesen Rückfluss enthalten die genannten Regelungen ihrem Wortlaut nach nicht. Auch der Regelungssystematik des § 10 EStG lässt sich eine solche Einschränkung nicht entnehmen.

Das spricht dafür, dass im Fall des § 10 Abs. 4b Satz 2 EStG grundsätzlich alles, was bei dem Steuerpflichtigen als Aufwendungen i. S. v. § 10 Abs. 1 Nr. 2 bis 3a EStG abgeflossen ist, im Falle des späteren Rückflusses im Wege der Verrechnung erfasst werden soll und dass gleichermaßen im Fall des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG grundsätzlich alles, was bei dem Steuerpflichtigen als Aufwendungen i. S. v. § 10 Abs. 1 Nr. 3 und 4 EStG abgeflossen und nicht im Rahmen des § 10 Abs. 4b Satz 2 EStG verrechnet worden ist, im Falle des späteren Rückflusses im Wege der Hinzurechnung erfasst werden soll.

Insbesondere lassen sich somit aus Wortlaut und Systematik der genannten Regelungen keine Anhaltspunkte dafür herleiten, dass eine Verrechnung nach § 10 Abs. 4b Satz 2 EStG und/oder eine Hinzurechnung nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG nur im Fall von Beitragsrückerstattungen im Rahmen eines bestehenden bzw. fortbestehenden Versicherungsverhältnisses vorgenommen werden sollen und dass Erstattungen aufgrund einer nachträglichen Änderung des Versicherungsstatus hiervon ausgenommen wären.

Die Verrechnung nach § 10 Abs. 4b Satz 2 EStG und die Hinzurechnung nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG stehen ihrem Wortlaut nach nicht unter dem tatbestandlichen Vorbehalt, dass im Erstattungsjahr hinsichtlich der Zahlungsjahre noch eine Änderungsmöglichkeit nach den §§ 173 ff. AO gegeben sein muss. Ein solches Verständnis widerspräche dem Sinn und Zweck der Regelung des § 10 Abs. 4b EStG, da andernfalls die Möglichkeit einer "Wiederaufrollung der Steuerfestsetzungen von Vorjahren" zumindest hypothetisch geprüft werden müsste. Dies liefe dem angestrebten Vereinfachungszweck zuwider.


Unsere Fachartikel sind nach bestem Wissen redaktionell erstellt. Eine Haftung und Gewähr für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.
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