Artikel aus dem Themenbereich: Vereine vom 03. März 2023

Handel mit Waren für Blinde: Wann liegt ein Zweckbetrieb vor?

Der Verkauf von Hilfsmitteln für Blinde ist grundsätzlich eine typische Handelstätigkeit, die nicht die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs i. S. v. § 68 Nr. 4 AO erfüllt.

Hintergrund

Die gewerblich tätige A-GbR betreibt im Wesentlichen den Handel mit Waren und die Erbringung von Dienstleistungen für blinde und sehbehinderte Menschen. Ihre Umsätze unterliegen dem Regelsteuersatz.

Der eingetragene gemeinnützige Verein V vertritt als Selbsthilfeorganisation die Interessen von blinden und stark sehbehinderten Menschen. In diesem Zusammenhang verkauft er – ebenso wie die A – Hilfsmittel für blinde und sehbehinderte Menschen über ein Ladengeschäft, auf Messen und über das Internet. Außerdem berät V blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen sowie deren Angehörige zu Hilfsmitteln und stellt Hilfsmittel bereit.

Das Finanzamt besteuerte die Umsätze des V mit dem ermäßigten Steuersatz (7 %). Es sah die Tätigkeit des V nicht als wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb an, sondern als Zweckbetrieb (Einrichtung der Wohlfahrtspflege). Dagegen erhob A Klage zum FG mit dem Antrag, das Finanzamt zu verpflichten, die Umsätze des V ebenfalls dem Regelsteuersatz zu unterwerfen. Das Finanzgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die Wettbewerbsverzerrung sei zur Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke des V unvermeidbar.

Entscheidung

Auf die Revision der A hob der Bundesfinanzhof das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Der Verkauf von Waren ist grundsätzlich eine typische Handelstätigkeit, die nicht die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs i. S. v. § 68 Nr. 4 AO (Fürsorge für blinde Menschen) erfüllt. Der Verkauf von Hilfsmitteln für blinde oder sehbehinderte Menschen über ein Ladengeschäft kann jedoch ein Zweckbetrieb sein, wenn über eine im Einzelhandel übliche reine Produktberatung hinaus weitere fürsorgeorientierte Hilfestellungen erforderlich sind.

Bei V handelt es sich zwar um eine Körperschaft, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt. Allerdings gilt die Steuersatzermäßigung nach Satz 2 nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. Demnach erfordert die Steuersatzermäßigung, dass gem. § 64 Abs. 1 AO ein Zweckbetrieb i. S. d. §§ 65 bis 68 AO vorliegen muss. Diesen hat das FG fehlerhaft bejaht.

Die steuerliche Begünstigung nach § 68 Nr. 4 AO erfordert, dass sich die Einrichtung in ihrer Gesamtrichtung als Zweckbetrieb darstellt. Sie muss erkennbar darauf abzielen, die satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen und diesen zu dienen. Somit setzt die Durchführung der Fürsorge i. S. v. § 68 Nr. 4 AO bei V voraus, dass er als Selbsthilfeorganisation die Interessen von blinden oder wesentlich sehbehinderten Menschen vertritt und durch entsprechende Beratung deren medizinische Versorgung und soziale Stellung verbessert. Der bloße Verkauf im Ladengeschäft oder über das Internet im Sinne einer typischen Handelstätigkeit, die nur mit einer üblichen, produkt- und anwendungsbezogenen Beratung einhergeht, wie sie im Facheinzelhandel allgemein üblich ist, genügt dafür nicht.

Verkaufstätigkeiten können aber dann dem Fürsorgezweck des § 68 Nr. 4 AO entsprechen und die steuerbegünstigten Satzungszwecke des V verwirklichen, wenn z. B. neu erblindeten Personen neben einer reinen Produktberatung weitere fürsorgeorientierte Hilfestellungen gegeben werden oder wenn Ver-kaufstätigkeiten im Zusammenhang mit einem unentgeltlichen Kursangebot zur Förderung der gemeinnützigen Tätigkeit stehen.

Das Finanzgericht hat die Art der Beratungen bei Verkäufen über das Ladengeschäft festzustellen. Eine Aufteilung in einen steuerbegünstigten Zweckbetrieb und einen steuerschädlichen Teil des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs scheidet aus, wenn die Verkaufstätigkeiten nicht trennbar sind. Es kann dann auf den überwiegenden Charakter der Tätigkeiten abzustellen sein, wobei nicht durch Fürsorgegesichtspunkte geprägte Verkaufstätigkeiten von weniger als einem Drittel unbeachtlich sein können.


Unsere Fachartikel sind nach bestem Wissen redaktionell erstellt. Eine Haftung und Gewähr für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.
Sprechen Sie uns gerne für eine persönliche Beratung an: +49 6173 7835-0

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