Artikel aus dem Themenbereich: Steuerrecht Privatvermögen vom 06. Dezember 2022

Kind in Facharztausbildung: Kein Anspruch auf Kindergeld

Beginnt das Kind nach dem Medizinstudium ein Dienstverhältnis an einer Klinik zur Erlangung der Facharztqualifikation, entfällt der Kindergeldanspruch mangels einer Berufsausbildung. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Erwerbscharakter und nicht der Ausbildungscharakter im Vordergrund steht.

Hintergrund

Mutter M bezog zunächst laufend Kindergeld für ihre Tochter X. Diese legte im Dezember 2020 die Abschlussprüfung in ihrem Medizinstudium ab und begann zum 01.01.2021 ihre mindestens 60 Monate umfassende Vorbereitungszeit zur Erlangung der Qualifikation als Fachärztin. Das hierzu mit einer Klinik abgeschlossene Dienstverhältnis umfasste eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden.

Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung ab April 2021 mit der Begründung auf, X habe sich nicht mehr in einer berücksichtigungsfähigen Ausbildung befunden.

Dem folgte das Finanzgericht und wies die Klage ab. Die Facharztausbildung habe nicht im Rahmen einer berücksichtigungsfähigen (einheitlichen) Erstausbildung stattgefunden, sondern sei berufsbegleitend als Weiterbildung (Zweitausbildung) durchgeführt worden.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies die Revision als unbegründet zurück. Es fehlt am Vorliegen einer Ausbildung.
Werden Ausbildungsmaßnahmen (wie hier) innerhalb eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses durchgeführt, liegen die Voraussetzungen einer Berufsausbildung nur vor, wenn die Erlangung beruflicher Qualifikationen, d. h. der Ausbildungscharakter, und nicht die Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen, d. h. der Erwerbscharakter, im Vordergrund steht. Kurse oder Lehrgänge, die an sich als Berufsausbildung zu betrachten wären, führen daher nicht zur kindergeldrechtlichen Berücksichtigung, wenn sie im Rahmen eines Erwerbsverhältnisses absolviert werden und bei einer Gesamtbetrachtung der Erwerbscharakter überwiegt.

Bei der Beurteilung, ob der Ausbildungs- oder der Erwerbscharakter im Vordergrund steht, kommt es – trotz der allgemeinen Geltung des Monatsprinzips – nicht darauf an, ob im einzelnen Monat die Ausbildungsmaßnahmen oder die Erwerbstätigkeit im Vordergrund steht. Vielmehr sind solche Arbeits- und Dienstverhältnisse als Einheit zu betrachten und daraufhin zu untersuchen, ob "insgesamt" der Ausbildungscharakter und nicht die Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen (d. h. der Erwerbscharakter) im Vordergrund steht.

X hat im Rahmen ihrer Tätigkeit bereits ihre Qualifikation als Ärztin eingesetzt. Der Erwerbscharakter stand im Vordergrund. Denn die reinen Ausbildungsinhalte bestanden lediglich aus einem mindestens einmal jährlich durchgeführten Gespräch mit dem anleitenden Arzt sowie aus 80 Stunden Weiterbildung während der gesamten 60-monatigen Facharztausbildung. Die Facharztqualifikation wird somit ganz überwiegend aufgrund der praktischen Erfahrung aus der ärztlichen Tätigkeit und nur in geringerem Umfang aus der Vermittlung von theoretischem Wissen und Methodenkompetenz erworben. Nach den Feststellungen des FG schuldete X somit X schwerpunktmäßig ihrem Arbeitgeber ihre ärztliche Tätigkeit nach dessen Weisung. Danach und nicht auf die Teilnahme an einer Berufsausbildungsmaßnahme war ihre Vergütung ausgerichtet.

Da somit wegen des Erwerbscharakters schon der weite Ausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht erfüllt war, konnte für den Bundesfinanzhof offenbleiben, ob es sich im Rahmen des engeren Ausbildungsbegriffes des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG um eine Erst- oder Zweitausbildung handelte. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob X eine langfristige Bindung an den Arbeitgeber eingegangen ist und welchen Umfang die wöchentliche Arbeitszeit hatte. Auch spielt das Berufsziel der X bei der Abwägung zwischen den Ausbildungs- und den Erwerbsanteilen ihres Dienstverhältnisses keine Rolle.


Unsere Fachartikel sind nach bestem Wissen redaktionell erstellt. Eine Haftung und Gewähr für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.
Sprechen Sie uns gerne für eine persönliche Beratung an: +49 6173 7835-0

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