Artikel aus dem Themenbereich: Steuerrecht Privatvermögen vom 16. Januar 2023

Ist die Supervision in pflegenden und betreuenden Berufen umsatzsteuerfrei?

Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL erfasst auch Unterrichtseinheiten, die sich auf Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung beziehen. Die Anforderungen, die der EuGH an die Steuerfreiheit des Schul- und Hochschulunterrichts stellt, gelten hierfür nicht. Umsätze einer Supervisorin können nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL steuerfrei sein.

Hintergrund

A ist als Supervisorin für verschiedene Auftraggeber u. a. aus den Bereichen der Wohlfahrtspflege und Jugendhilfe tätig. Ihre Leistung gegenüber den Auftraggebern besteht darin, für die Teilnehmer an ihren Veranstaltungen, d. h. für die Arbeitnehmer ihrer Auftraggeber, Handlungsempfehlungen für den umsichtigeren Umgang mit den beruflichen Alltagsproblemen zu erarbeiten.

Das Finanzamt ging davon aus, die Supervisionsleistungen seien weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht steuerfrei.

Das Finanzgericht gab der Klage statt. Die Supervisionsleistungen seien nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL steuerfrei. Insbesondere erbringe A Unterrichtstätigkeiten im Rahmen von Schul- und Hochschulunterricht. Sie habe ihre Tätigkeit auch als Privatlehrerin i. S. d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL ausgeübt.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof bestätigt die Auffassung des Finanzgerichts, dass Supervisionsleistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL von der Umsatzsteuer befreit sind. A erfüllt sowohl die leistungsbezogenen als auch die unternehmerbezogenen Voraussetzungen des Befreiungstatbestands. Die Revision des Finanzamts wurde daher als unbegründet zurückgewiesen.

Unstreitig kommt eine Steuerfreiheit nach nationalem Recht nicht in Betracht. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG scheitert am Bescheinigungserfordernis und § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG an den dort aufgeführten unternehmerbezogenen Voraussetzungen. Ebenso kommt eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 UStG nicht in Betracht, da die Supervisionsleistungen keine Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin sind. Dafür reicht es nicht aus, wenn bei Supervisionen auch bei Heilbehandlungen eingesetzte Methoden angewandt werden und diese auch der gesundheitlichen Prophylaxe dienen können.

A erfüllt die leistungsbezogenen Befreiungsvoraussetzungen. Die Steuerfreiheit erfasst nach der EuGH-Rechtsprechung “Unterrichtseinheiten, die von Unterrichtenden ... erteilt werden und sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen”, wobei diese Unterrichtseinheiten “die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch den Unterrichtenden an Schüler oder Studierende im Rahmen einer Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit einschließen”. Es besteht zudem keine Beschränkung auf Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung oder zur Erlangung einer Qualifikation führt oder der eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt. Vielmehr kann der Unterricht auch andere Tätigkeiten einschließen. Dementsprechend hat der Bundesfinanzhof bereits ausdrücklich entschieden, dass Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL auch Unterrichtseinheiten erfasst, die sich auf Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung beziehen, so dass auch Supervisionsleistungen steuerfrei sein können.

A hat Sozialarbeiter, Sozialpädagogen sowie andere in der Pflege tätige Arbeitnehmer im Auftrag deren Arbeitgeber in ihrer eigenen Handlungskompetenz insbesondere gegenüber den jeweiligen Klienten geschult und weiterentwickelt. Gegenstand war die Vermittlung im beruflichen Alltag erforderlicher Kompetenzen, nicht die Lösung persönlicher Probleme der Teilnehmer im Sinne einer Therapie. Ziel der Tätigkeit der A war an erster Stelle, das gemeinsame Erarbeiten von Lösungen und Handlungsmustern, die dazu befähigen sollten, künftig im beruflichen Umfeld auftretende Schwierigkeiten selbst oder gegenseitig kollegial zu überwinden. Die Leistungen der A bezogen sich damit nicht auf Veranstaltungen mit bloßem Freizeitcharakter. Dafür spricht auch, dass Auftraggeber der A nicht die Teilnehmer der Veranstaltungen selbst, sondern deren Arbeitgeber waren.

Der Unterricht wird unternehmerbezogen von einem Privatlehrer i. S. v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL erteilt, wenn der Lehrer Träger der Bildungseinrichtung ist und für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelt. Danach war die A auch als “Privatlehrerin” i. S. d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL tätig. Denn sie handelte für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung. Sie war auch Trägerin der Bildungseinrichtung, da es ihren Auftraggebern um die Aus- und Fortbildung des eigenen Personals ging. A war Träger der Bildungseinrichtung, an der die Fortbildungsmaßnahmen erbracht wurden.


Unsere Fachartikel sind nach bestem Wissen redaktionell erstellt. Eine Haftung und Gewähr für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.
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