Artikel aus dem Themenbereich: Sonstige Steuern vom 05. September 2022

Erbschaftsteuer: Befreiung auch bei unzumutbarer Selbstnutzung des Familienheims?

Gesundheitliche Beeinträchtigungen können zwingende Gründe darstellen, die den Erwerber an der Selbstnutzung eines Familienheims hindern. Das gilt dann, wenn sie ihm eine selbstständige Haushaltsführung in dem erworbenen Familienheim unzumutbar machen.

Hintergrund

Der Ehemann der A verstarb 2017. Er wurde von A und seinen Kindern beerbt. Zum Nachlass gehörte das hälftige Miteigentum an einem Einfamilienhaus, das A und ihr Ehemann gemeinsam bewohnt hatten. Aufgrund eines Vermächtnisses zugunsten der A übereignete die Erbengemeinschaft ihr diesen Miteigentumsanteil. A nutzte das Haus zunächst weiterhin selbst. Anfang 2018 erwarb sie eine noch zu errichtende Eigentumswohnung am selben Ort. Ende 2018 veräußerte sie das Einfamilienhaus und meldete sich im April 2019 in die Eigentumswohnung um.

Das Finanzamt lehnte die Steuerbefreiung im Rahmen der Erbschaftsteuer für ein Familienheim wegen Aufgabe der Selbstnutzung innerhalb des 10-Jahres-Zeitraums ab.

A machte geltend, dass sie das Haus wegen einer depressiven Erkrankung, die sich nach dem Tod ihres Ehemannes durch die Umgebung des ehemals gemeinsam bewohnten Hauses verschlechterte, auf ärztlichen Rat verlassen habe. Nach einer ärztlichen Stellungnahme vom September 2019 ließ die Umgebung des ehemals gemeinsam bewohnten Hauses psychische Folgeschäden erwarten. Das Finanzgericht war jedoch der Ansicht, dass es keine zwingenden Gründe für den Auszug gegeben hatte. Denn A war die Führung eines Haushalts nicht schlechthin unmöglich gewesen. Das Finanzgericht wies deshalb die Klage ab.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Der Erwerber ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung des Familienheims zu eigenen Wohnzwecken gehindert, wenn diese ihm unter den konkreten Umständen objektiv unmöglich oder unzumutbar wird.

Die Steuerbefreiung für den Erwerb eines Familienheims fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert. Die Befreiungsvorschrift ist eng auszulegen. Das gilt auch für die Rückausnahme von der Nachversteuerung.

Die Hinderungsgründe müssen sich auf die Selbstnutzung des vorliegenden Familienheims beziehen. Ob der Erwerber an einem anderen Ort einen Haushalt führen kann, ist nicht entscheidend. Die Meinung, dass die Steuerbegünstigung auch dann ausgeschlossen ist, wenn der Erwerber ausziehen und in einer anderen Wohnung einen Haushalt führen könnte, bzw. die Unmöglichkeit, selbstständig einen Haushalt zu führen, müsste sich auf das Führen eines eigenen Haushalts schlechthin beziehen, weist der Bundesfinanzhof zurück. Das widerspräche der Zielrichtung der Regelung, das Familiengebrauchsvermögen zu erhalten und den gemeinsamen familiären Lebensraum zu schützen.

Der Erwerber ist aus zwingenden Gründen an der Selbstnutzung des Familienheims zu eigenen Wohnzwecken jedenfalls dann gehindert, wenn ihm dies unter den konkreten Umständen objektiv unmöglich ist. Zwingende Gründe sind jedoch nicht auf die Fälle der Unmöglichkeit beschränkt. Vielmehr ist es auch ausreichend, wenn dem Erwerber aus objektiven Gründen die Selbstnutzung des Familienheims nicht mehr zuzumuten ist. Das können gesundheitliche Grüne sein, wenn der Erwerber im Fall der weiteren Selbstnutzung des Familienheims eine erhebliche Beeinträchtigung seines Gesundheitszustands zu gewärtigen hat, die ein weiteres Verbleibendort unmöglich macht.

Die Feststellungslast für die Umstände, die die Selbstnutzung des Familienheims objektiv unmöglich machen oder objektiv unzumutbar erscheinen lassen, trägt der Erwerber. Ob eine Erkrankung vorliegt, die dazu führt, dass die Unzumutbarkeitsschwelle überschritten wird, kann regelmäßig allein anhand ärztlicher Begutachtung festgestellt werden. Dabei ist auch festzustellen, ob eine etwaige Erkrankung erst nach gewisser Zeit der Nutzung aufgetreten oder ihre Schwere manifest geworden ist.

Das Finanzgericht hat nun konkret festzustellen, ob die Erkrankung tatsächlich bestand und so beschaffen war, dass sie der A die weitere Selbstnutzung des Familienheims unzumutbar machte. Dies ist unter Mitwirkung der A nachzuholen.


Unsere Fachartikel sind nach bestem Wissen redaktionell erstellt. Eine Haftung und Gewähr für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.
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