Artikel aus dem Themenbereich: Steuerrecht Unternehmer vom 15. Juli 2022

Entgeltlich bestellter Nießbrauch: Einkünfte oder Kaufpreiszahlung?

Wenn der Eigentümer einem Dritten ein dingliches oder obligatorisches Nutzungsrecht einräumt, muss immer geprüft werden, ob und inwieweit der Eigentümer oder der Nutzungsberechtigte den Tatbestand der Einkünfteerzielung erfüllt oder ob es sich um Kaufpreiszahlungen für die Veräußerung einer Immobilie handelt.

Hintergrund

Der Kläger erzielte aus dem notariell beurkundeten Nießbrauchsvertrag vom 02.10.2008 über das Objekt D Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Laut Nießbrauchsvertrag wurde der Fa. AA GmbH & Co. B KG ("KG") ein Nießbrauch an dem Objekt bestellt. Als Gegenleistung verpflichtete sich diese dazu, den Kläger von der Zahlung von Zins und Tilgung aus einer Darlehensverbindlichkeit gegenüber der Bank freizustellen. Das Finanzamt setzte die vom Nießbraucher zu zahlenden Beträge als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung an. Als Ausgaben berücksichtigte es die AfA und die vom Kläger getragenen Kosten (Zinszahlungen). Der Kläger war der Ansicht, dass es sich rechtlich nicht um laufende Zahlungen der KG für die zeitlich befristete Einräumung eines Nießbrauchs, sondern um Kaufpreiszahlungen für die Veräußerung der Immobilie handelte. Denn im Notarvertrag war Frau H ein Ankaufsrecht am Grundstück eingeräumt worden und das wirtschaftliche Eigentum demzufolge bereits am 02.10.2008 auf die KG übergegangen. Dem folgte das Finanzamt nicht.

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass der Kläger aus entgeltlichem Nießbrauch aus dem Objekt D Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt hat. Ist das zugewendete Nutzungsrecht wie hier der Nießbrauch entgeltlich bestellt, hat der Eigentümer das für die Bestellung gezahlte Entgelt grundsätzlich im Jahr des Zuflusses bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen. Die dingliche Natur des Rechts steht der Zurechnung des Entgelts zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung nicht entgegen, da die Begriffe Vermietung und Verpachtung einkommensteuerrechtlich weit auszulegen sind und auch wirtschaftlich vergleichbare Nutzungsüberlassungen einschließen. Übt allerdings ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise aus, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, so ist ihm das Wirtschaftsgut zuzurechnen. Ein wirtschaftlicher Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers wird von der Rechtsprechung angenommen, wenn der Herausgabeanspruch des Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat oder wenn dem Eigentümer überhaupt kein Herausgabeanspruch mehr zusteht. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen.

Hiernach kann ein Wirtschaftsgut einem anderen als dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen sein, wenn es ihm aufgrund eines "Mietkaufvertrags" überlassen wird. Darunter versteht man Vereinbarungen, in denen Elemente eines Mietvertrags mit denen eines Kaufvertrags verbunden sind. Diese Verträge können so gestaltet sein, dass sie bei wirtschaftlicher Bewertung von Anfang an als Kaufverträge anzusehen sind. Maßgebend ist, ob die Vertragsbedingungen so ausgestaltet sind, dass der Mieter vernünftigerweise keine andere Wahl hat, als von seinem Ankaufsrecht Gebrauch zu machen, sodass der Mieter von Anfang an daran interessiert ist, Eigentum zu erwerben. Wesentliche Kriterien sind Übergang von Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf den Mietkäufer. Vorliegend waren die Vertragsbedingungen nicht so ausgestaltet, dass der Nießbraucher keine andere Wahl hatte, als von seinem Ankaufsrecht Gebrauch zu machen. Die KG als Nießbrauchsberechtigte konnte nicht wählen. Ihr ist keine Kaufoption eingeräumt worden. Das Ankaufsrecht war Frau H eingeräumt worden, die aber nicht Nießbraucherin war. Nießbraucher (KG) und Käufer (Frau H) waren nicht personenidentisch.


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