Artikel aus dem Themenbereich: Steuerrecht Arbeitnehmer vom 07. Juni 2023

Tätigkeit im Drittstaat: Kein Sonderausgabenabzugsrecht für Vorsorgeaufwendungen

Bei steuerfreiem Arbeitslohn für eine Tätigkeit in einem Drittstaat sind Vorsorgeaufwendungen nicht als Sonderausgaben abziehbar. Das gilt auch dann, wenn im Tätigkeitsstaat keine steuerliche Entlastung für die Aufwendungen gewährt wird.

Hintergrund

E war von seinem inländischen Arbeitgeber vorübergehend in die Volksrepublik China entsandt worden. Den inländischen Wohnsitz behielt er bei.

Der von E im Streitjahr 2016 bezogene Arbeitslohn entfiel zu 87,72 % auf die in China und zu 12,28 % auf die im Inland ausgeübte Tätigkeit. Das Finanzamt besteuerte nach Art. 15 Abs. 1 DBA-China den Arbeitslohn des E im Umfang des inländischen Tätigkeitsanteils (12,28 %). Im Übrigen stellte es die Einkünfte unter Progressionsvorbehalt steuerfrei.

E erklärte seine Beiträge zur inländischen gesetzlichen Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung als Sonderausgaben. Das Finanzamt bezog nur 12,28 % der geleisteten Beiträge in die Berechnung ein, da Vorsorgeaufwendungen, die mit steuerfreien Einnahmen in Zusammenhang stehen, nicht als Sonderausgaben abziehbar seien.

Dem folgte das Finanzgericht (FG) und wies Klage ab. Das Abzugsverbot sei verfassungsgemäß, und zwar selbst dann, wenn eine steuermindernde Berücksichtigung der Vorsorgeaufwendungen in China rechtlich nicht möglich gewesen sei.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Revision als unbegründet zurück. Eine Verletzung von Verfassungsrecht liegt nicht vor.
§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 EStG schließt den Abzug der dort genannten (und vorliegend betroffenen) Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben aus, wenn sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Ausnahme nach Teilsatz 2 liegt nicht vor. Denn E übte seine Tätigkeit nicht in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat (bzw. in der Schweiz) aus.

Das subjektive Nettoprinzip (Steuerfreiheit des Existenzminimums) verpflichtet nur, Beiträge zu Versicherungen, die den Schutz des Lebensstandards in Höhe des Existenzminimums gewährleisten, zum Abzug zuzulassen. Das Arbeitslosengeld dient jedoch nicht der Absicherung des Existenzminimums, sondern ist als Lohnersatzleistung ausgestaltet. Deshalb berühren Beiträge zu einer Arbeitslosenversicherung nicht das subjektive Nettoprinzip.

Auch der Ausschluss des Sonderausgabenabzugs für die von E erbrachten Rentenversicherungsbeiträge ist mit verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar. Das objektive Nettoprinzip ist nicht berührt. Denn § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a EStG ordnet die Altersvorsorgeaufwendungen mit konstitutiver Wirkung den Sonderausgaben zu. Die generellere Regelung (Werbungskostenabzug) ist damit gesperrt.

Es liegt auch kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vor. Denn eine etwaige doppelte Besteuerung kann nicht bereits in der Aufbauphase, sondern erst mit Beginn der Rentenauszahlungsphase geltend gemacht werden.

Auch bei den Rentenversicherungsbeiträten ist das subjektive Nettoprinzip nicht verletzt. Wenn Altersvorsorgeaufwendungen, die in Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen, vom Sonderausgabenabzug ausgeschlossen werden, wird das subjektive Nettoprinzip deshalb nicht berührt, weil die Steuerfreistellung der Einnahmen bereits bewirkt, dass die Vorsorgeaufwendungen aus im Inland nicht versteuertem Einkommen geleistet werden können. Eines zusätzlichen Sonderausgabenabzugs bedarf es nicht.
Unerheblich ist, dass die Einnahmen des E nicht in Gänze steuerfrei gestellt, sondern in China steuerlich belastet wurden. Der Ausschluss des Sonderausgabenabzugs bei grenzüberschreitenden Sachverhalten steht nicht generell unter dem Vorbehalt, dass die Vorsorgeaufwendungen in dem anderen Staat steuerlich abgezogen werden können. Diese Ausnahme gilt zur Wahrung der Arbeitnehmerfreizügigkeit nur im Verhältnis zu EU- und EWR-Mitgliedstaaten sowie zur Schweiz. Zu Drittstaaten gilt jedoch die Arbeitneh-merfreizügigkeit grundsätzlich nicht. Die Frage, ob eine Minderung der Leistungsfähigkeit vorliegt oder durch den Zufluss steuerfreier Einnahmen kompensiert wird, ist losgelöst von der steuerlichen Behandlung im Ausland zu beurteilen. Darauf hat der nationale Gesetzgeber keinen Einfluss.

Der Gesetzgeber hat mit dem AltEinkG und dem damit umgesetzten Konzept einer nachgelagerten Besteuerung von Alterseinkünften grundsätzlich eine folgerichtige und den allgemeinen Gleichheitssatz nicht verletzende Regelung geschaffen. Er hat die durch das Verbot einer doppelten Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften gezogenen Grenzen nicht überschritten, solange und soweit die Beitragsleistungen "steuerfrei" gestellt werden.

Eine solche Steuerfreistellung liegt im Streitfall vor. Zwar mindern die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung im vorliegend streitigen Umfang die inländische Bemessungsgrundlage wegen des Ausschlusstatbestands nicht. Jedoch werden die mit diesen Beiträgen verbundenen Lohneinkünfte des E aus China ebenfalls von der inländischen Bemessungsgrundlage ausgenommen, sodass E sie aus insoweit steuerbefreitem Einkommen leisten konnte.


Unsere Fachartikel sind nach bestem Wissen redaktionell erstellt. Eine Haftung und Gewähr für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.
Sprechen Sie uns gerne für eine persönliche Beratung an: +49 6173 7835-0

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